Nachdem ich eingesehen habe, dass der Timeslot für’s Frühstück egal ist, schlafe ich eine halbe Stunde länger, esse dann das kleinste Übel vom Frühstücksbuffet, und sitze wieder um halb zehn auf dem Rad.
Es ist noch stärker bewölkt als die letzten Tage und der Wind hat in seiner Intensität nicht nachgelassen. So sind die ersten Kilometer gewohnt langsam gegen den Wind, erst nach Norden, dann zur Inselmitte.
Diesmal fahre ich aber nicht ins Famara Gebirge, sondern der Plan ist es so vier bis fünf Stunden G1 zu fahren, G2 Intervalle nach Bedarf. Dazu fahre ich mit dem Wind zunächst in Richtung Süden, schätzungsweise bis Yaiza, und werde mich dann gegen den Wind wieder zurück kämpfen. Zwei Stunden hin, drei Stunden zurück, das ist der Plan.
Als ich auf die LZ-1a abbiege (die Fahrradstraße parallel zur LZ-1), fahre ich diesmal also in die andere Richtung, nach Süden. Sofort treibt mich der Wind voran. Mit meinen 200 G1 Watt fahre ich deutlich über 50 Km/h, und muss noch schauen, dass ich nicht zu wenig reintrete. Kurz ganz lustig, aber zum Training nicht so optimal. Allerdings sind das ja erst mal nur ein paar Kilometer bis Tahiche, dann geht es in Richtung Westen über Nazaret nach Teguise.
Aus Teguise heraus geht es dann wieder leicht bergab nach Süden. Man fährt sozusagen auf dem Inselrücken, entsprechend böig weht der Wind. Da er von hinten weht gehen mir schnell die Gänge aus. Ich fahre locker 70 und mit 110er bis 120er Trittfrequenz kann ich gerade noch Kontakt zum Pedal halten, allerdings komme ich natürlich nicht in den Zielbereich von 190, 200 Watt.
Durch die hinter den Wolken versteckte Sonne ist die Temperatur zum Radfahren sehr angenehm, fast schon kühl. Aber das ich tatsächlich Rennradfahrer mit langen Hosen sehe, ist dann doch etwas übertrieben…
Erstmals fahre ich die schöne Strecke über die LZ-402 nach Caleta de Famara, biege also am großen Kreisel rechts ab in Richtung Meer. Die Straße führt überwiegend bergab, und auch wenn man das Gefühl hat nach Westen zu fahren, so fährt man doch in der Tat nach Norden, und der Wind bläst mir entsprechend entgegen, wenn auch, durch die teils geschützte Lage etwas gezähmt. So kann ich ganz gut dosieren, und etwas vor mich hin meditieren. Am Meer angekommen wird der Wind kurz stärker und bläst heftig von der Seite, während ich über einen sehr ruppigen Abschnitt mit einigen Sandverwehungen fahre.
Caleta de Famara ist eine Surfer Hochburg. Die Surfer haben heute bestimmt Spaß. Ich fahre in den Ort und biege in der Ortsmitte wieder in Richtung Inselinneres ab. Nun kommt eine Straße, die bei diesen Windverhältnissen einfach nur geil zu fahren ist, die LZ-.410 Mit einer Steigung um ca. 5% bei starkem, konstantem Rückenwind, kann man unglaublich smooth fahren. Dabei fährt man ein solides Tempo und hat immer das Gefühl top in Form zu sein.
Tatsächlich fühle ich mich heute sowieso recht gut, und kann den Abschnitt bis zum Ort Soo sehr genießen. Hier scheint auch praktisch immer die Sonne. In Soo biege ich nochmal ab, weiter in Richtung Inselmitte, der Straßenverlauf bleibt ähnlich, aber die Richtung ändert sich etwas, man fährt weniger südlich, und die Steigung ist nicht so konstant, so dass dieses smoothe Gefühl hier nicht aufkommt.
Auch gibt es hier Stellen an denen der Wind aussetzt und die Sonne sofort knallt, was das Gefühl von stehender Hitze erzeugt. Wenn ich hier nicht schon etliche Male, in unterschiedlichen Jahren und zu unterschiedlichen Jahreszeiten, gefahren wäre, würde ich das für Zufall halten, ist aber jedes mal so.
Ich fahre über Tiagua bis Mancha Blancha und dann auf die LZ-67 in Richtung Timanfaya Nationalpark. Hier werden gerne die Fotos für Artikel in Radzeitschriften geschossen. Und zurecht, den ein asphaltiertes Band durch die noch recht frische Vulkanlandschaft, das sieht schon sehr cool aus.
Da hier der Wind wieder ordentlich von hinten bläst, wird das Tempo nur von einigen kleineren Wellen gebremst, aber meist bleibt es trotz lockerem G1 Radeln um 50 km/h.
Als ich mich dem Eingang des Nationalparks nähere, sehe ich eine riesige Autoschlange vor mir. Ich kann aber einfach vorbeiradeln, da auf der entgegenkommenden Seite ebenfalls eine Autoschlange bis zur Einfahrt steht, und ich nur die Lücke zwischen den beiden treffen muss. Erstaunlich, so lange habe ich hier wohl noch keine Autowarteschlange gesehen. Einerseits ist es glaube ich ganz schön voll auf der Insel, andererseits verstärken die Corona bedingten Hygiene Regeln den Engpass wahrscheinlich nochmal.
Noch mit etwas Schwung vom Rückenwind fahre ich den einzigen Anstieg der Strecke hinauf, um dann wieder mit hohem Speed in Richtung Yaiza zu fahren. Mental bereite ich mich aber schon etwas auf den Rückweg mit heftigem Gegenwind vor.
Zunächst führt die Strecke dann durch den Ort, und einen kurzen, aber brutalen Anstieg auf schlechtem Asphalt hinauf. Dann geht es durch einen riesigen, sehr schön angelegten Kreisel kurz auf die LZ-2 in Richtung Osten. Hier muss ich einen Kilometer mit recht viel Verkehr hinter mich bringen, um dann an einem weiteren Kreisel mit einem großen Plastikkamel die Richtung zur wechseln und zurück in Richtung Norden auf die LZ-30 zu fahren.
Jetzt muss ich wohl drei Stunden gegen den Wind arbeiten. Zunächst geht es aber, durch einige Anstiege an einem kleinen Höhenzug ist der Wind etwas gebremst. Für die Anstiege hatte ich mir die G2 Intervalle aufgehoben.
Dann nimmt der Gegenwind aber immer weiter zu, bis ich voll gegen den Wind fahre und mich mit einer Geschwindigkeit von 12 bis 15 Km/h nach Norden robbe. Dadurch, dass ich heute nie in den roten Bereich gefahren bin, sind die Beine noch gut, Getränke habe ich auch genug (dritte Flasche im Trikot hilft), und auch mental fühle ich mich gut. Der Wind macht mir nichts aus, wie gestern schon mag ich ihn irgendwie sogar.
So fahre ich durch das Weingebiet von Lanzarote ohne viel zu denken. Ich bin nur erstaunt, dass ich erst beim Vorbeifahren wieder auf die ganzen Namen komme, La Geria, La Florida usw. Im Hirn setzt sich das Puzzle „Lanzarote“ gerade wieder zusammen.
Aber das geht mir zu Hause ja ganz ähnlich, wenn ich ein paar Wochen mal nur nördlich meiner Heimatstadt fahre muss ich doch tatsächlich wieder zäh drüber nachdenken wie und wo die ganzen Dörfer im Süden angeordnet sind. Ok, ein paar Fixpunkte gibt es schon, die ich mir merken kann 😉
Als ich schon das Castello und Teguise in der Ferne sehen kann, biege ich am Monumento de Campesino links ab und fahre wieder in Richtung Nordwest und Meer bis Soo, und dann wieder in Richtung Caleta de Famara. Ohne den Umweg würde die Einheit dann doch etwas kurz werden.
Auch in diese Richtung macht die Strecke Spaß, aber natürlich lässt sie sich nicht so smooth fahren. Ich finde gegen den nun immer etwas wechselnden Wind kaum einen passenden Gang, so dass ich viel schalten muss. Leider kommen die Gänge nicht gerade zackig, und ich muss immer mal wieder etwas nachschalten. Ich werde wohl bei Free Motion nochmal nachhaken müssen, denn die Zugspannung scheint’s nicht zu sein, vielleicht wäre mal ein Satz neuer Züge fällig. Immerhin zahle ich für das Leirad praktisch unversichert genauso viel wie für den Leihwagen voll versichert. Eigentlich passt das nicht, der Markt gibt’s wohl her…
Als ich die LZ-402 absolviert habe, ist auch die vier Stunden Marke geknackt, mit meinem Ziel von vier bis fünf Stunden sollte das also hinkommen. Jetzt muss ich aber erst mal gegen sehr heftigen Wind leicht berghoch nach Teguise. Am Kreisel setzt ein Busfahrer recht trocken das Recht des Stärkeren um und drängt mich noch fast auf die Erhebung in der mitte Kreisels, ich nehme es aber gelassen hin, ärgere mich nicht, und setze statt dessen das letzte G2 Intervall für heute. Das braucht es auch, sonst wäre ich gegen den Brutalowind auf dieser 5% Steigung ohne Chance.
In Teguise fahre ich erst mal bergab über Nazaret nach Tachiche und dann auf wieder leicht bergauf auf die LZ-1a, meine wohlvertraute Fahrradstraße. Schließlich möchte ich die letzten Kilometer ja mit Rückenwind zurücklegen. Und so fahre ich diesen kleinen Umweg gegene den Wind.
Auf der LZ-14 angekommen gehen mir dann aber langsam die Kohlenhydrate aus, ich bekomme echt Hunger, und erstmals für heute, muss ich etwas kämpfen.
Aber es geht nun zum Glück nur noch bergab, der Wind kommt von der Seite. Ich überhole noch eine Gruppe Elektroradler und kann dann schließlich in die Avenida de las Palmeras abbiegen und mit ordentlich Rückenwind zurück ins Hotel driften.
Eine sehr schöne Einheit. Fast etwas ereignislos, aber nicht im negativen Sinne. Von der Dosierung her hat es gut gepasst. Mal schauen was ich morgen mache. Vielleicht sogar einen Ruhetag. Das linke Knie ist nicht so 100% in Ordnung, außerdem war die Installationsfahrt ja länger als gedacht, so dass das bei zwei Ruhetagen durchaus passen würde. Und das Fahrrad könnte ich auch einstellen lassen.