Zum Beginn des zweiten Trainingsblocks hat mir Björn viereinhalb Stunden in den Plan geschrieben. Das schwierigste im Trainingslager ist es ja nicht zu überziehen und jeden Tag Rad zu fahren bis zum Umfallen, auch wenn man Bock darauf hätte.
So beschließe ich mich recht genau an die Vorgabe zu halten, austoben kann ich mich morgen und übermorgen wenn die „Königsetappen“ auf dem Plan stehen. Das ist allerdings gar nicht so einfach. „Höhenmeter mitnehmen“ ist am Teide ja immer, jetzt muss ich nur noch eine abwechslungsreiche Strecke finden. Eine Runde ist so kurz nicht möglich. Die Idee ist es, erst mal über San Miguel und Vilaflor zum Teide (Seilbahnstation) zu fahren und dann zu schauen wieviel Zeit denn um ist. Wie gesagt eine Runde über Güimar oder so würde wohl eher bei sechs Stunden landen.
Zunächst geht es über vermeintliche Schleichwege von der Costa del Silencio, unter der Autobahn hindurch und nach etwas hin und her auf die TF-65. Die Schleichwege sehen zwar so aus, aber dem extrem lebhaften Verkehr nach sind das eher Hauptverkehrsadern für den Berufsverkehr.
Auf der TF-65 geht es dann aber. Das Wetter ist fantastisch. Keine Wolke am Himmel, selbst der Teide ist wolkenfrei. Dabei ist es angenehm kühl. Die Beine funktionieren sehr gut. Im soliden G2 Bereich kurbele ich mich nach oben. Dabei lässt sich die Steigung zunächst gut dosieren, nur ab und zu zieht es mal etwas stärker an, aber jetzt am Anfang kann man da sowieso problemlos reagieren.
Katrin begleitet mich mit der Fotoausrüstung und sucht immer wieder markante Stellen im Anstieg um ein gutes Sportfoto zu schießen. So wird das vielleicht mein am besten dokumentierter Aufstieg überhaupt…
Kurz vor San Miguel zieht die Steigung nochmal etwas an und man fährt auf steiler Straße durch den unteren Teil des Ortes, der sehr aufgeräumt und hübsch wirkt. Hier befinden sich auch die Gebäude von Polizei und Verwaltung.
Dann trifft die Straße auf die TF-28 und ich fahre etwas in Richtung Nordosten bis hinter dem Ort die TF- 563 abzweigt. Dieser Weg ist etwas kürzer und verkehrsärmer als über die größere TF-21 von Granadilla zu fahren, dafür aber auch steiler.
Der gesamte Anstieg von Meereshöhe bis zur Seilbahnstation wird so um die 50 Kilometer liegen, das erste Schild auf der TF-563 zeigt 37 Kilometer bis zum Teide, ich habe also schon ganz ordentlich was weggeschafft.
Der Straßenbelag ist ganz ok, die Steigungsprozente bleiben meist im einstelligen Bereich, so dass ich gut dosieren kann und die Kilometer ganz brauchbar dahinfließen. Ich trete immer noch solides G2, manchmal auch ein bisschen mehr. Die Beine gehen wirklich gut. Dass die Sitzposition passt hat sich ja schon recht eindeutig im ersten Trainingsblock abgezeichnet. Auch der Sattel funktioniert klasse, sogar mit der uralten Craft Shorts die ich gerade trage. Das Polster ist eigentlich schon keines mehr. Von dieser Hose sollte ich mich wirklich mal trennen…
Anyway, die Temperatur bleibt angenehm um 15, 16 Grad, obwohl die Sonne ja ungehindert scheinen kann. Es ist aber sehr windig.
So kurbele ich Kilometer für Kilometer nach oben. An manchen Kurven muss ich lächeln, da Katrin dort mit der Kamera lauert. Ansonsten kann ich schön vor mich hin denken. Ich ärgere mich etwas über die Trinkflaschen, die ich gestern im Intersport gekauft habe. Die sind nämlich zu klein, so dass ich eine im Flaschenhalter mit Klebeband befestigt habe und die andere ins Trikot stecken musste. Mal abgesehen davon, dass es eh nur 0,5 L Flaschen sind. Jetzt mal ernsthaft liebe Hersteller und Händler, wer braucht denn halb Liter Flaschen außer Profis wo immer der Materialwagen nebenher fährt? Ich brauche im Normalfall (und ich bin da bestimmt kein Exot) mindestens einen halben Liter pro Stunde, in der Hitze gerne mehr. Bei zwei Flaschenhaltern kann ich also zwei Stunden fahren – und dann? Wieso kann man nicht einfach überall 1 Liter Flaschen kaufen? Weil die nicht schnell genug aussehen? Nicht mal 0,75er gibt‘s meist.
Ärgern hilft immer Kilometer zu machen, insofern leistet ein nicht unerheblicher Teil der Fahrradindustrie echte Hilfe… Ich werde sicher irgendwann mal einen Blog machen nur mit den „Highlights“. Allerdings wird es erst mal einen geben mit den echt positiven Sachen, denn die gibt es natürlich auch, und das ist vielleicht für andere Radfahrer viel nützlicher. 🙂
Zwei Kilometer vor Vilaflor zieht die Steigung ordentlich an. Die Leistung kommt noch immer locker aus den Beinen, allerdings muss sie das auch bei 12%. Vor dem Ort gibt es dann kurz Entlastung bevor es im Ort nochmal kräftig anzieht bis auf 15%, bevor die Straße auf die TF-21 trifft.
Hier biege ich nun links ab und fahre weiter bergauf. Die Strecke ist ja wohlbekannt und die Steigung nun wieder moderat und damit gut dosierbar. Ich versuche weiterhin solides G2, also um 280 Watt zu fahren.
Die Strecke führt ja jetzt eine ganze Weile durch Kiefernwald, der mal dichter, mal etwas lichter ist. Dabei taucht der ein oder andere Rennradfahrer vor mir auf, den ich als Motivationsziel nutze um die Leistung konstant zu halten.
Natürlich ist der Wirkungsgrad in der Höhe nicht mehr ganz auf dem Niveau wie unten, aber es geht eigentlich ganz gut. Trotzdem spürt man wie lange der Aufstieg eigentlich schon dauert. Wenn ich so weiterfahre komme ich wohl bei ca. 3 Stunden raus, was ja schon ganz gut wäre.
Auch in dem sehr „serpentinigen“ Abschnitt wo sich der Wald deutlich lichtet läuft es gut. Ich überhole einen Reiseradfahrer mit Gepäck und einen etwas keuchenden Rennradfahrer im zitronengelben Trikot.
Mir ist auch etwas nach Keuchen, denn die Luft wird nun dünner, allerdings funktionieren die Beine sehr gut. So viel Kilometer sind es gar nicht mehr bis zur ersten Zwischenabfahrt.
Nochmal wird der Wald etwas dichter und es geht vorbei an dem Lagerplatz, wo 2014 ein Wohnwagen stand, den ich mir als Wegmarke gemerkt hatte. Jetzt kann es nicht mehr allzu weit sein. Nochmal zieht die Steigung etwas an und gibt dann eine sehr schöne Aussicht auf den Nordosten der Insel und das Meer frei.
Dann ist endlich der erste Gipfel der Strecke erreicht. So ca. 2100 Meter über Meereshöhe. Nun geht es drei Kilometer bergab. Druck machen geht nur bedingt, da die Straße mit unangenehmen Querfugen durchzogen ist und natürlich manchmal die Kurven stark drehen. Ich versuche aber trotzdem immer mindestens G1 zu treten, was auch einigermaßen gelingt. Dabei muss ich das ein oder anderer Auto überholen.
Nachdem der Abzweig zur TF-38 passiert ist geht es nur noch moderat bergab und wird schließlich flach. Auch wenn der Wind etwas entgegen bläst lässt es sich gut fahren. Die Querfugen werden weniger und im Auflieger können die meinen Händen eh nichts. Dann kommt der schöne frische Asphalt und ich kann auch in „Zeitfahrposition“ richtig Druck machen. Jetzt muss ich mir keine Gedanken mehr über‘s dosieren machen, da ich weiß, dass ich gut durchkomme bis zum Teide und auch wieder zurück.
Die Straße klappt dann etwas nach oben und es geht wieder solide bergauf. Hier oben ist es schön kühl und dabei klarer, blauer Himmel.
Nachdem die Straße dreht, und nun an El Roque und dem Parador vorbeiführt, beschließt der Wind mir den restlichen Anstieg bis zur Seilbahnstation nicht ganz so einfach zu machen und ich muss noch etwas ackern.
Die Gerade über die Hochebene Las Canadas ist schon sehr lange, die Straße dreht noch einmal nach nordosten um dann wieder fast schnurgerade berghoch zuführen. Aber die Beine funktionieren gut. Ein Radfahrer taucht vor mir auf. Vielleicht kann ich ihn noch abfangen…
Kurz bevor er zur Seilbahn abbiegt habe ich ihn eingeholt und überhole ihn hundert Meter vor dem höchsten Punkt. Die Station ist recht belebt, alle Parkplätze besetzt, aber nicht ganz so schlimm wie am zweiten Tag. So kann ich problemlos oben drehen und gleich wieder bergab fahren. Denn heute gibt es keine Pause, schließlich bin ich zum Training hier und nicht „auf Urlaub“.
Jacke hatte ich erst gar keine mitgenommen, denn dann hätte ich auf die dritte Flasche verzichten müssen. Dann lieber frieren. Aber es ist kein Problem, ich mag ja kühle Temperaturen und auch in der Abfahrt ist alles was zweistellig ist warm 🙂
Vor allem trocknet jetzt das Trikot ganz schnell wieder. Der Straßenbelag ist leider nicht so richtig perfekt, und auch der Wind trägt dazu bei, dass ich kaum über 70 km/h komme, auch wenn die Straße ja schnurgerade bergab führt. Allerdings bin ich schnell wieder beim Parador angekommen und kann auf dem schönen neuen Asphalt weiter steil bergab fahren bevor die Straße abflacht und ich im Auflieger mit etwas Rückenwind dahinfliegen kann. Dabei überhole ich ein Dutzend Mountainbiker, die zu stehen scheinen. Rennräder sind schon irgendwie sehr geile Maschinen.
Anyway, natürlich wird aus der Zwischenabfahrt vom Aufstieg nun ein Gegenanstieg. Und den kurbele ich jetzt erst mal wie gehabt im G2 nach oben. Dabei bieten sich nochmal wirklich schöne Ausblicke.
Der Anstieg dauert immer einen Hauch länger als man denkt, aber die folgende Abfahrt ist traumhaft zu fahren, oben sind die Kurven so sanft, dass man kaum bremsen muss und schön bergab wedeln kann. Nur kurz laufe ich auf einen Stau auf, verursacht von einer Gruppe Quads. Aber, ich kann das Privileg mit dem Rennrad unterwegs zu sein, und nicht mit dem Auto, schön nutzen und an allen Autos und der Quad Gruppe vorbeifahren, und habe dann die Straße erst mal für mich alleine. Sehr geil.
So fahre ich bis Vilaflor, wo ich auf der TF-21 bleibe und die herrliche Abfahrt bis Granadilla durchziehe. Auch wenn ich kein Fan von langen Abfahrten bin, so kann ich die Fahrt doch sehr genießen. Auch kann ich an vielen Stellen zumindest noch G1 treten, so dass nicht zuviel Trainingszeit verloren geht.
In Granadilla geht es dann auf die TF-28 in Richtung südwest. Da die Straße hier recht flach ist und der Wind auch brauchbar steht kann ich großteils im Auflieger fahren und so noch ein paar Kilometer in Aeroposition machen.
In San Miguel fahre ich weiter durch den Ort hindurch und nicht den Weg zurück von heute morgen, denn weniger als die Zeitvorgabe von viereinhalb Stunden will ich natürlich nicht fahren. Stattdessen fahre ich bis Valle de San Lorenzo wo ich dann in Richtung TF-66 abbiege. Dummerweise verliere ich dabei mein Rücklicht, was ich aber zu spät bemerke.
Nach etwas Klein/Klein erreiche ich schließlich die 66 und kann es die letzten Kilometer nochmal im Auflieger richtig fliegen lassen. Ein richtig schöner Schlusspunkt. So erreiche ich nach knapp fünf Stunden das Hotel und konnte die Trainingsvorgabe gut umsetzen. Vor allem haben die Beine gut funktioniert und sind vorbereitet für die zwei heftigen Etappen morgen und übermorgen…