steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

Trainingslager Teneriffa 2017 – Tag 13

Der letzte etwas umfangreichere Trainingstag steht heute an. Da ich ja gestern mein Auto in San Andres stehen gelassen hatte, fahre ich nun heute eine ähnliche Strecke wieder zurück um es abzuholen. D.h allerdings auch es gibt noch ein paar Höhenmeter zu sammeln und über den Teide muss ich auch…

Obwohl ich früh frühstücke sitze ich doch erst um kurz nach neun Uhr auf dem Rad. Noch geht alles etwas zäh. Die Beine treten besser als am Tag zuvor, aber mental fühle ich mich etwas schlapp. So sind die ersten fünf Kilometer über die TF-652, den kleinen Schleichweg mit dem ruppigen Belag und die TF-65 recht anstrengend.

Dass es vor San Miguel und im Ort dann recht steil wird macht die Sache erst mal nicht besser. Da nützen auch die Blümchen nichts.

In San Miguel biege ich auf die TF-28 in Richtung Granadilla ab. Den dort will ich über die TF-21 in Richtung Vilaflor und Teide fahren. Eigentlich die einzige Strecke die ich in diesem Trainingslager berghoch noch nicht gefahren bin.

Bis Vilaflor geht es recht flach dahin. Ich fahre meist im Auflieger, wenn die Kurven es zulassen. Der Gegenwind bremst etwas und kühlt kaum. Es sind schon wieder fast 28° C. Im Ort geht es dann links ab. An der Kreuzung ist ein Cafe wo sich einige Rennradler treffen, und erst mal einen Cafe trinken. Danach wäre mir jetzt auch gerade. Ich glaube kaum, dass ich heute was anderes als eine „Cafefahrt“ hinkriege, auch wenn die Beine eigentlich ganz gut gehen. Aber der Kopf möchte an jedem Cafe anhalten und im Schatten dösen.

Ich reiße mich zusammen und fahre aus dem Ort hinaus, nur kurz ist es etwas steiler, dann flacht die Steigung ab und ich fahre sogar im Auflieger. Bis zur Seilbahnstation sind es sicher über 50 Kilometer von meinem Startort. Da ich mental etwas schwach bin, beschließe ich in Vilaflor eine Cafepause einzulegen, um mich zu motivieren. Doch noch sind es erst mal ein paar Kilometer zu absolvieren bis dorthin.

Die Beine funktionieren wie gesagt eigentlich gut. Ich beschließe die moderaten Steigungen im Auflieger zu fahren, ein gutes Training für‘s RAAM, denn dort werde ich irgendwann alles im Auflieger fahren wollen, weil die Hände weh tun und ich so mein Gewicht nicht selbst halten muss. Auch ein guter Test für die Sitzposition.

Da die Steigung eigentlich nicht wirklich über 7% hinausgeht, bleibe ich ohne darüber nachzudenken die ganze Zeit in RAAM-Position und spule Kilometer um Kilometer ab. Erst ein, zwei Kilometer vor Vilaflor treffe ich auf berghoch fahrende Rennradler, die ich überhole, was in der Position am Berg natürlich etwas aggressiv wirkt. But so what.

So erreiche ich Vilaflor in Zeifahrposition und kein Gedanke an Cafe. Ich beschließe mein Motivationsziel etwas zu verschieben und erst im Parador meinen Cafe zu trinken. Da ich doch schon einiges an Getränken verbraucht habe, kann ich dort dann auch auffüllen.

Da es eigentlich auch ab Vilaflor an vielen Stellen kaum steiler ist als sieben Prozent, fahre ich weiterhin im Auflieger. Wenn es steiler wird wechsle ich die Position. Die Beine geben G2 her und eigentlich geht es ganz ordentlich, wenn es sich ergibt versuche ich aber auch einfach G1 in der Position zu fahren, durch die konstante Steigung fühlt sich das schon anders an als in der Ebene. Wie gesagt ein willkommener Trainingseffekt für‘s Race Across America.

So fließen die Kilometer gut dahin. Ich überhole eine jungen, stark aussehenden Rennradler, der allerdings ein Gravelbike mit kleinen Satteltaschen fährt. Als ich überhole hängt er sich hinten dran, was nochmal etwas Motivation bringt. Selbst als er wohl schon einige Kurven zurück ist, schaue ich mich nicht um, sondern versuche konstant mindestens G2 zu fahren.

So erreiche ich Kilometer 57 der TF-21, ab hier geht es erst mal bergab. Meine Sitzfläche reagiert recht sensibel auf die vielen Querfugen im Asphalt. Ich spüre die Sitzfläche schon den ganzen Tag. Ich glaube morgen werde ich kein Training mehr absolvieren, bin gerade ein bisschen an der Grenze.

Auch die ersten flachen Kilometer sind vom Sitzen her etwas unangenehm, der Beginn des guten Asphalts zieht sich etwas. Gegen den Wind muss ich auch fahren, so dass ich hoffe halbwegs vernünftig bis zum Parador zu kommen. Auf dem glatten Asphalt erhole ich mich aber schnell und auch die Steigung gegen den Wind geht erst mal gut, zumindest was die Wattanzeige auf dem Radcomputer betrifft.

Als ich das Pardor passiere habe ich weder Lust auf Cafe, noch auf die Menschenmassen die dort sind. So fahre ich weiter und überlege ob ich doch zur Seilbahn fahre und nicht etwa gleich weiter in Richtung TF-24, oder ob ich im Papillon pausiere und die Flaschen auffülle. Noch habe ich einen guten halben Liter Wasser und genauso viel O-Saft. (Den musste ich heute nehmen, weil ich kein KH-Getränk mehr hatte, macht aber nix der funktioniert bei mir ja bekanntermaßen extrem gut.)

Ich kämpfe mich die paar Kilometer bis zur Seilbahnstation und biege ganz automatisch ab. Oben drehe ich nur kurz und drücke die Runde ab. Mein vielleicht letzter Teide Anstieg sollte schon vollständig sein 🙂

Drei dreiviertel Stunden hatte ich für die 58 Kilometer bis hierher gebraucht, aber der Tag ist ja noch lange nicht zu Ende. Ich fahre die TF-21 weiter in Richtung Nordost. Auch hier ist die Steigung ja moderat und ich bleibe bei meiner Position, was gegen den Wind durchaus Vorteile hat. Es dauert doch einige Zeit und gefühlt mehr Kilometer als der Verstand zuvor ausgerechnet hat, aber dann habe ich die Hochebene durchquert und fahre auf die Restaurants um das Papillon zu.

Ich überlege ob ich mit den zwei Schluck Wasser und dem bisschen O-Saft bis La Laguna komme. Könnte funktionieren, in der Abfahrt trinke ich eh kaum, aber es gibt ja noch einige Gegenanstiege, und auch wenn es nicht ganz so warm wie gestern ist, so fahre ich doch in der knalligen Sonne. Hm, während ich überlege fahre ich an den Restaurants vorbei.

Jetzt habe ich nur noch eine Chance, das Restaurant am El Portillo Aussichtspunkt. Nach einer kleinen Abfahrt erreiche ich den Abzweig zur TF-24, das Restaurant scheint nicht so überfüllt wie die ganzen anderen, trotzdem fahre ich vorbei und in den Anstieg auf die TF-24. Der zieht gleich völlig gerade mit gut 8% nach oben.

Nach dreihundert Metern geht mir auf, dass das keine gute Idee ist. Ich drehe um und rolle zurück zum Restaurant. Lieber gut versorgt die folgenden Kilometer genießen, als mit trockener Kehle bis La Laguna quälen.

Ich nutze die Pause um die Flaschen aufzufüllen zwei Tapas, einen Apfelkuchen und zwei Cafe con leche wegzuhauen. Gut KH-versorgt geht es dann in die Gerade mit dem Anstieg. Gar nicht so kurz das Ding. Bis zu der Sternwarte gibt es noch einige Steigungen zu bewältigen, schließlich liegt die Straße dort ja auf über 2330 Metern Höhe.

Die Luft ist mittlerweile sensationell klar, der Himmel quasi „ultrahimmelblau“. Sehr beeindruckend, solche Tage ohne Wolken, dabei mit so klarer Sicht gibt es hier sicher ganz selten. Ich versuche es fotografisch festzuhalten, dummerweise meldet die Kamera „Speicherkarte voll“. Mist, hatte ich vergessen zu tauschen gestern.

Der Anstieg bis zum höchsten Punkt läuft wirklich gut, nur die ersten Meter nach der Pause machte sich der volle Magen etwas bemerkbar.

Nun geht es bergab, und zwar lange. Und zunächst auf schlechter Straße. Dabei stecke ich die Querfugen noch gut weg, aber man muss extrem aufpassen, da auch immer wieder richtig schlechte Stellen umfahren werden wollen.

So ist es nicht ganz einfach die fantastische Aussicht zu genießen. Da ich aber keine Fotos schieße(n kann), kann ich es fast noch mehr genießen als sonst. Und ich habe bei dieser heiklen Abfahrt nicht das Gefummel mit der Kamera im Trikot, was ja immer einen Hauch Sturzrisiko birgt.

Einmal muss ich aber doch kurz anhalten und mit dem iPhone ein Foto machen, der Blick auf den Norden ist einfach zu gut.

Die Kilometer mit dem schlechten Belag erfordern viel Konzentration, besonders als es in den Kiefernwald geht. Denn nun sind durch das Wechselspiel von Licht und Schatten die teils heftigen Schlaglöcher schwer zu erkennen.

Trotzdem geht die Abfahrt besser als gedacht. Auch die Gegenanstiege funktionieren gut. Die kleinen knalle ich mit 350 Watt weg, die längeren sind nicht so ätzend wie gedacht.

Richtig geil wird es aber, als ich den glatten Belag weiter unten erreiche. Jetzt läuft die Abfahrt traumhaft schön. Auch wenn ich eigentlich recht verhalten fahre, so ist die Strecke einfach sehr schön rund zu fahren und im schattigen Wald ist es sehr angenehm kühl. Hier sind jetzt noch nicht mal 17° C.

Die Abfahrt ist schon sehr lang, aber da sie soviel Spaß macht vergeht sie doch einigermaßen flott und hinter La Esperanza kann ich nochmal auf langen Geraden Gas geben.

In La Laguna angekommen habe ich gerade mal einen halben Liter Wasser verbraucht. Ich brauche hier also nicht anzuhalten, sondern kann einfach durchfahren. Aus der Teide Richtung kommend ist es auf Grund der Einbahnstraßen etwas mehr Gekurve um den Ort in Richtung Anaga Gebirge zu verlassen.

Aber dann geht es auf gerader, wenn auch schlechter Straße aus dem Ort hinaus. Die Beine funktionieren erstaunlich gut, ich geißele ordentlich über die Rumpelstraße, als es hinten im Schaltwerk knirscht. Ich kann zwar weiter fahren, aber es tritt sich etwas seltsam und macht Geräusche. Kurz überlege  ich es einfach zu ignorieren, aber macht keinen Sinn. So muss ich kurz anhalten, und es stellt sich heraus, dass die Kette sich zwischen unteres Schaltröllchen und Schaltkäfig gearbeitet hat. Hm, die DA9000 mag ja keine ruppigen Sraßen und schaltet dann gerne mal vorne unvermittelt auf das kleine Blatt, aber sowas hatte ich auch noch nicht. Zum Glück aber lässt sich das leicht beheben, wenn auch nur für den Preis komplett eingeölter Finger und entsprechend versautem Lenker usw.

Anyway, jetzt bei klarem, sonnigen Wetter wirkt die Landschaft deutlich anders, aber ebenso schön, wie an dem wolkigen Tag letzte Woche. Vor allem aber gehen die Beine wie verrückt. Ohne, dass ich irgendwie bewusst besonders auf die Tube drücke, fahre ich kaum unter 300 Watt, eher mehr. Dabei fühlt es sich völlig locker an. Das verwirrt mich so, dass ich an einer flachen Stelle ausklicke und die Nullstelle des Leistungsmessers kalibriere, da ist aber alles in Ordnung, die Werte stimmen.

So wird diese Fahrt durch das Anagagebirge auf der TF-12 zu einem wahren Fest. Durch diesen Lorbeerwald zu fahren ist einfach traumhaft. Immer wieder gibt es andere Facetten der Vegetation zu bewundern, es ist angenehm kühl, die Beine gehen wie die Hölle, was für ein Abschluss.

An zwei besonders spektakulären Stellen bleibe ich kurz stehen um zu fotografieren, dann geht es weiter, sogar etwas länger bergauf als gedacht, aber die Beine gehen so gut, dass ich befürchte ganz arg zu überziehen. Aber alles ok, Knie und linker Oberschenkel haben nix zu meckern. Ich glaube die neue Sitzposition ist verdammt gut. Zwischendurch hatte ich sogar die Sitzfläche vergessen, die hat aber im leztlich schon genug für dieses Trainingslager. Durch den neuen Sattel muss sich alles erst justieren und an die Belastung gewöhnen, eben auch die Haut.

Morgen werde ich wohl kaum trainieren. Ich glaube den letzten Tag nehme ich mir frei… Höchstens eine „Alibicappuccinorunde“.

Auch die Abfahrt hinunter nach San Andres rollt nochmal schön. Ich fahre so ab 300 Höhenmeter in die Hitze rein, fühlt sich aber gut an. Dann die letzten Kurven und ich komme an der Küstenstraße an. Noch 50 Meter und das Auto ist erreicht.

Es ist auch noch da, was ich aber nur dem Umstand verdanke, dass ich gestern nach dem ersten Parken nochmal das Schild gelesen habe das da stand, und aus dem spanischen Text korrekt was von Veranstaltung interpretiert habe. Denn gerade werden die letzten Fahrzeuge dort abgeschleppt wo ich eigentlich parken wollte…

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