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Ultracycling und Alpenpaesse

Tokyo – Tag 7

Heute ist tatsächlich schon der letzte Tag meines Tokyo Trips. Dabei habe ich das Gefühl, gerade erst so ein bisschen durchzublicken und das eine oder andere zu verstehen. Auch wenn ich eigentlich eine ziemlich lange Liste an Highlights abgearbeitet habe, so werde ich den Eindruck nicht los, dass ich noch Wochen bräuchte um Tokyo auch nur annähernd kennenzulernen und wenigstens noch das ein oder andere Museum zu besuchen.

Aber das ist natürlich kaum möglich, und so schnell werde ich wohl auch nicht wieder hierherkommen. So genieße ich den letzten Tag mit einer Bootsfahrt.

Zunächst geht es vom Hotel aus mit der Metro nach Asakusa. Diesmal ist etwas mehr los an der Station und ich reihe mich in eine der vielen Schlangen ein. Beim Einsteigen forcieren die Metromitarbeiter ein bisschen. Aber das ist weit entfernt von den drastischen Bildern die man aus dem Fernsehen kennt, wo zu zweit die Leute massiv in die Wagons gepresst werden. Eher ganz normaler Berufsverkehr an einer vielgenutzten Station.

In Asakusa angekommen schlendere ich gar nicht groß durch‘s Viertel, sondern gehe gleich zum Fluss und buche den Trip auf dem Sumida River nach Hamarikyu.

Nach einer halben Stunde Wartezeit bei eher schlechtem Kaffee, mit Blick auf den Skytree und das Hauptgebäude der Asahi Brauerei in Form eines vollen Bierglases mit Schaumkrone, sowie der von Philippe Starck designten „Asahi Flamme“ (im Voksmund aber „kin no unko“ genannt, was soviel heißt wie die „goldene Kacke“) geht es los.

Das Schiff könnte so auch auf dem Rhein oder in Bangkok rumschippern. Erstmals sieht hier was nicht so japanisch perfekt aus, sondern irgendwie normal. Leider fährt auf meiner gewählten Strecke nicht das spacige „Raketenboot“, das an amerikanisches Futuredesign aus den 60ern erinnert.

Die Fahrt auf dem Sumida River ist ganz nett. Wieder eine andere Perspektive auf die Stadt. Am Ufer, unter den Pfeilern der Autobahn stehen ein paar kleine Zelte. Angeblich sollen hier Obdachlose leben. Es ist sehr auffällig, dass ich während der ganzen Woche hier keinerlei Hinweis auf Armut gesehen habe. Keine Bettler, keine alkoholbenebelten Gruppen von Menschen außerhalb der gesellschaftlichen Norm, keine Pseudostraßenmusiker (und auch keine echten Straßenmusiker).

Das mit den Straßenmusikern ist mir klar, hier ist schlicht kein Platz, alle Fußgängerwege sind voll, die würden einfach umgerannt, oder würden zumindest ein Hindernis darstellen. (Vielleicht gibt es aber auch Viertel oder Straßen wo es das gibt, ich habe ja nur einen kleinen Ausschnitt der Stadt gesehen.) Aber das es in einer Stadt mit fast neun Millionen Einwohnern, bzw. 38 Millionen in der Metropolregion, praktisch keine sichtbaren Hinweise auf Armut gibt ist erstaunlich.

Anyway, die vier kleinen Zelte sind natürlich nicht die Hauptattraktion der Bootsfahrt. Stattdessen genieße ich den Blick auf die Häuser am Ufer und die vielen verschiedenartigen Brücken, die teils recht niedrig sind. Immer wieder mal zweigen kleine Nebenflüsse oder Kanäle ab, die durch Schleusen gesichert sind.

Als sich der Fluss teilt, fahren wir nach rechts in Richtung Shibaura (Minato). Die Häuser werden höher, genauso wie die Brücken.

Als wir durch die Schleuse auf die Landestelle zufahren, bekommen wir einen ersten Blick auf die Rainbowbridge. Hinter der Schleuse eröffnet sich dann der Blick auf den Hama-rikyu Garden mit dem Tokyo Tower im Hintergrund.

Der Hama-rikyu Garden, das Ziel der Fahrt, hebt sich durch sein idyllisches Erscheinungsbild deutlich von der Umgebung ab. Diese Anlage wurde seit der Edo Zeit von den Herrschenden genutzt, und ist seit Mitte des letzten Jahrhunderts im Besitz der Stadt.

Es ist faszinierend zu beobachten, wieviele Vögel hier ihre Zuflucht gefunden haben, und auch riesige Schmetterlinge scheinen sich hier wohl zu fühlen.

Ich laufe eine kleine Runde durch die Anlage und ziehe mir dann das Ticket für die Rückfahrt. Ich sitze wieder auf der gleichen Seite des Schiffes und sehe damit das andere Ufer des Sumida Flusses.

Das, im Verhältnis zu U-Bahn, Zug oder Auto, gemächliche Tempo und das Gleiten auf dem Wasser haben eine beruhigende Wirkung. Vielleicht ein guter Kontrast zu dem Getümmel in Asakusa, wo ich mich gleich hineinstürzen werde.

Nach ca. 40 Minuten ist die Fahrt zu Ende. In Asakusa hatte ich mir ja beim ersten mal hauptsächlich den Tempel angeschaut, und bin nur kurz durch die vielen belebten Straßen gelaufen. Diesmal mache ich es umgekehrt, streife das Tempelgelände nur kurz und konzentriere mich auf die vielen, teils überdachten Einkaufsstraßen.

Da ich sowieso Hunger habe, passt es gut, dass es hier vor kleinen Restaurants und Fressständen nur so wimmelt. Ich entscheide mich für Rindfleischspieße und probiere anschließend noch ein paar süße Köstlichkeiten. Heute am letzen Tag möchte ich schon noch auch die kulinarische Seite Tokyos kennenlernen.

Nachdem ich genug von dem Gewimmel habe, fahre ich mit dem Bus zum Skytree. Diesmal ist es recht einfach. Karten App und Beschilderung stimmen überein, außerdem ist es ja eh nicht sonderlich weit.

Im Skytree verzichte ich auf die obere Plattform. Das Wetter bietet noch immer keine echte Fernsicht, den Fuji kann ich also sowieso nicht sehen. Und die 345m Plattform ist genau das, was ich jetzt will. Diesmal brauche ich auch keinen Fasttrackaufpreis zu zahlen, die Schlange ist kaum der Rede wert. Eine freundliche Mitarbeiterin am Fasttrackschalter macht mich darauf aufmerksam. Cool.

Als ich aus dem Fahrstuhl aussteige, muss ich feststellen, dass recht laute, schlechte Musik durch die Plattform dröhnt, und es insgesamt recht ungemütlich ist. Trotzdem ist die Sicht natürlich beeindruckend, wenn auch mittlerweile schon vertraut.

Ich drehe ein paar Runden und trinke einen Kaffee, aber es ist mir einfach zu laut. Daher wechsle ich das Stockwerk und setze mich im unteren Teil der Plattform ins zweite Skytree Cafe. Wieso habe ich das eigentlich beim ersten mal übersehen?

Hier schmeckt der Kaffee gut und ich sitze mit gigantischem Ausblick auf die größte Stadt der Welt und kann ein bisschen für‘s Blog schreiben. Trotz greller Deko einfach geil.

Als ich genug habe, fahre ich runter bis auf die Ebene wo die ganzen Geschäfte sind. Diesmal laufe ich innerhalb des Gebäudes die 700m bis zur U-Bahn Station. Vor vielen Geschäften stehen aufgebrezelte Damen, die mit einem interessanten Singsang die Kunden in die Geschäftsräume locken wollen. Ich bin da natürlich das falsche Opfer, aber interessant ist es trotzdem.

Zurück im Hotel angekommen, überlege ich kurz ob ich nochmal nach Odeiba fahre. Dieser Stadtteil ist ja im Moment gerade sehr angesagt für Touristen. Er wird als Disneyland ohne Eintritt beworben. Abgesehen von einigen spektakulären Gebäuden lässt mich das aber ziemlich kalt. Ich würde nicht mal für geschenkt ins Phantasialand gehen, das Riesenrad steht hinter dreimal höheren Wolkenkratzern und shoppen kann ich in jedem anderen Stadtteil auch. Einzig das Toyota Museum würde mich interessieren. Hier kann man Fahrzeuge sogar probefahren.

Ich beschließe aber stattdessen nochmal einen kulinarischen Exkurs zu machen. So wie das Sushi am Fischmarkt, ist ein Steak vom Kobe Rind hier möglicherweise ein Muss. Allerdings deutlich teurer. Da keine fünf Gehminuten vom Hotel das 5/11 Restaurant liegt, prüfe ich mein Kreditkartenlimit und gehe mal „richtig“ essen.

Das 5/11 im Namen des Restaurants steht für die Fleischqualität. 5 ist die höchste Kobe Rind Fleischqualität überhaupt und die 11 steht für die zweitbeste Marmorierungsqualität (12 gibt‘s wohl kaum). D.h. dort wird vom eh schon megateuren und angeblich guten Kobe auch noch die absolute Topqualität angeboten.

Es regnet mittlerweile ziemlich, aber das Restaurant ist schnell gefunden. Das Ambiente ist gediegen, aber nicht abgefahren oder aufdringlich. Man hat die Wahl zwischen Menues, die so bei 140,- Euro beginnen, und a la Carte.

Ich bestelle a la Carte. Die Preise sind eigentlich moderat. Außer für das Fleisch, das nimmt mir die Luft. Ich überlege kurz, das Ganze abzubrechen. Andererseits wenn ich es probiere, dann hier und dieser Qualität.

Augen zu und durch. Ich bestelle mir auch tatsächlich Sake Wein dazu. Auch hier gehe ich mal von bester Qualität aus. Der ist nicht wirklich teuer. Riecht und schmeckt sogar sehr gut, allerdings ist er mir zu stark. Ich trinke in den letzten Jahren so extrem wenig Alkohol, dass ich nach nur einer kleinen Schale, den Alkoholgeschmack nicht mehr ertragen kann.

Dann kommt aber endlich das Fleisch und die gewählten Beilagen. Wie in der Gourmetküche üblich, alles hübsch angerichtet, die Portionen sehr klein. Die Bedienung ist sehr aufmerksam und liefert zu jedem Gericht ausführliche Erläuterungen auf englisch. Beim Menue am Tisch nebenan mehr, bei meiner Zusammenstellung etwas weniger.

Das Fleisch sieht ziemlich gut aus und schmeckt ausgezeichnet. Allerdings kann ich nicht sagen, dass es sensationell wäre. Der ultrahohe Preis schürt natürlich Erwartungen. Im Nachhinein muss ich sagen, dass das Geschmacks- und Konsistenzerlebnis schon sehr sehr gut war. In dem Moment war es mir zu „normal“.

Ich entscheide mich anschließend für ein traditionelles japanisches Dessert. Das ist allerdings sensationell.

Ebenso wie die Rechnung die ich dann bekomme. Aber das war ja abzuschätzen. Irgendwie hoffe ich aber immer noch, dass ich mich beim Umrechnen um eine Null geirrt habe. Habe ich aber nicht. Dafür bekomme ich für den Heimweg einen Regenschirm geschenkt. Ich denke mal die 500 Yen waren in den 30.000 schon drin…

So endet mein letzter Tag mit einem Highlight, dass aber einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt. Ich fühle mich wohler in dem kleinen Restaurant von gestern, wo ich für 1400 Yen viel zu viel, sehr lecker und gesund gegessen habe. Und ich bin auch ohne Regenschirm gut nach Hause gekommen…

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1 Kommentar

  1. Ben 16. Juli 2019

    Tokio, da werde ich wohl in meinem Leben nie hinkommen, umso schöner hier davon etwas zu lesen. Auch wenn gänzlich ohne Fahrrad, waren die Bilder und Berichte top ! Vielen Dank dafür !

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