Freitag 19.06.2009
Wetter: meist sonnig, 19 bis 23°
Tageskilometer: 121
Gesamt zurückgelegte Kilometer: 6907
Tages-Fahrzeit :5:44 h
Gesamte Fahrzeit: 341:08 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 21,1 km/h
Tageshöhenmeter: 767
Gesamt Höhenmeter: 71872
Maximale Steigung 8%
Maximalpuls: 146
Durschnittliche Pulsfrequenz: 119
Nachdem die Nacht endlich mal wieder normal war, passt es auch mit dem Essen wieder. Also insgesamt fit gehe ich auf die letzte Etappe: Ziel London.
Die einzige sinnvolle Route von Colchester aus ist allerdings die A12, eine gut ausgebaute A Road. Da ich mit heftigem Verkehr rechne, lasse ich mir morgens bei der Spurensuche in Colchester Zeit, um so dem Berufsverkehr zu entgehen.
Nachdem ich gefunden habe was ich suchte und mein Vergleichsfoto gemacht habe (1981 / 2009), geht es Richtung London.
Die A12 ist heftig. Am Anfang ist das praktisch eine dreispurige Autobahn mit Bordstein statt Seitenstreifen. Ich bin wirklich mittlerweile einiges gewohnt. Aber jetzt bin ich wieder im Londoner Einzugsgebiet, und LKWs, die schön mit 90 an mir vorbeirasieren, Autos mit 120, 140. und dazu hohe Verkehrsdichte.
Auch wenn man es mir nach manchen Schilderungen nicht zutrauen mag, so achte ich schon darauf, das Risiko und Gewinn beim Fahren in einem vernünftigen Verhältnis stehen. d.h. auch ab einer gewissen Risikostufe gibt es keinen Gewinn mehr, und das hier ist da ziemlich nah an der Grenze.
So verlasse ich die Strecke nach ca. 25 Kilometern und suche mir den Weg über Tiptree, Maldon, Wickford usw. So gibt es nochmal ein paar ganz schöne Kilometer mit ein bisschen Landschaft, so dass ich sogar den Fotoapparat nochmal zücke. Nebenbei gibt es in Wickford ein zweites Frühstück, inkl. Tee und O-Saft für 3,60 Pfund!
Über die 127 geht es dann ins Gebiet von London rein. Auch hier heftiger Verkehr, so dass ich ab einem gewissen Punkt schon tippe ob mich ein LKW, ein PKW oder doch ein Kleintransporter abschießt, ich tippe auf letzteres.
Als ich wieder auf die A12 treffe gibt es sogar einen Fahrradweg, aber irgendwie auch nicht. Ich probiere es zeitweilig, aber erstens ist der Weg meist sehr schlecht (wenn er gut ist), oft jedoch schlicht für mich nicht fahrbar, abgesehen davon, dass man die Abfahrten so schneidet, dass man verdeckt ist für die Autos, die runterfahren. So bleibe ich meist auf der Straße, trage meinen Teil zur Unfallvermeidung bei, indem ich wie an der Schnur gezogen soweit links fahre wie es geht, kein Ausweichen vor den Kanaldeckeln, kein Schluck Wasser während dem Fahren, einfach nur volle Konzentration. Der Rest ist Glückssache.
Als ich weit genug im Stadtgebiet bin geht es dann irgendwann, und es gibt sogar Busspuren oder Fahrradwege die man auch benutzen kann.Es sind noch so zwanzig, dreißig Kilometer bis in die richtige City von London, als die ersten anderen Fahrradfahrer auftauchen. Davor war ich zwischen Colchester und London der einzige, es war kein anderer zu sehen.
Hier im Stadtbereich muss man als Fahrradfahrer ordentlich fighten, aber auf jeden Fall passiv, denn es gibt eine Gruppe von Fahrern, die Aufgrund ihrer Kleidung und des Aussehens eindeutig einer ethnischen Gruppe zuzuordnen ist, für die Fahrradfahrer schlicht Luft sind. Und das ist nicht sprichwörtlich gemeint. Die Fahren einfach so, also ob du nicht da wärst. Dummerweise dürfen die auch Taxis und Transporter fahren. Und da ich ja nicht sehen kann wer hinter mir im Auto sitzt muss ich jederzeit damit rechnen, dass einer links abbiegt obwohl ich direkt neben ihm fahre. Krass. Zum Glück gibt’s aber insgesamt nicht so viele von denen…
Es gibt auch Zonen wo eigentlich sehr wenig Verkehr ist. In der City ist aber wieder ordentlich was los. Ich versuche mein Ziel zunächst aus dem Kopf zu finden, muss dann aber doch nochmal auf der Karte spicken, wie das denn nun eigentlich alles hier war. Und irgendwann stehe ich dann tatsächlich vor dem proklamierten Ziel der Tour: Der Victoria Station in London. Nach über 6900 Kilometern.
Es ist kein so emotionaler Moment wie das erreichen des Nordkaps. Dafür habe ich zuviele Teilziele erreicht, und die symbolische Kraft der Victoria Station ist einfach nicht so groß wie das schöne Nordkap. Aber ich bin doch sehr froh die ganze Tour erfolgreich zum Abschluss gebracht zu haben.
Es ist gar nicht so einfach in dem geschäftigen Treiben jemanden zu finden der fotografiert. Aber es findet sich doch noch jemand, und so gibt es heute auch ein „Finisher Foto“.
Eigentlich wollte ich den morgigen Tag noch in London verbringen, als Cooldown sozusagen. So buche ich auch zunächst zwei Nächte. Der Preis ist horrend, aber genau dieses Hotel ist nun mal Teil des Ziels, da ich hier mal gearbeitet habe.
Der Empfang ist allerdings wenig herzlich. Die Dame an der Rezeption meint tatsächlich, ich solle mein 3000 Euro Fahrrad doch irgendwo draußen am Bahnhof abstellen. Als ich das nicht akzeptiere, bietet sie mir schließlich an es wenigstens nachts einzuschließen. Ich gehe erst mal duschen.
Es stellt sich heraus, dass in diesem 4 Sterne Businesshotel, das Wlan nicht ausreichend stark bis auf mein Zimmer reicht, obwohl das bei der Buchung behauptet wurde. Hm. Nach dem Duschen suche ich mir jemanden von der Maintenance und so findet auch das Fahrrad den Weg ins Haus.
Als ich mich in der Lobby mit dem Wlan verbinden kann stellt sich heraus, dass man keine Websiten aufrufen kann. Ich weise die Rezeption daraufhin, die Dame nimmt ihre Ganze Inkompetenz zusammen um festzustellen, dass es nur an meinem Notebook liegen könne. Sie würden sich „über Firefox einwählen“. Zeitgleich ruft ein anderer Gast an und beschwert sich, dass er keine Webseiten aufrufen könne. Sie teilt ihm am Telefon mit, dass es leider Freitagabend wäre und die IT von der Zentrale in Spanien betreut würde, so dass es wahrscheinlich am Wochenende nichts mehr würde mit Internet.
Mir gibt sie den Tipp doch ins Starbucks zu gehen. Kurz zur Erinnerung, das Zimmer kostet 180 Pfund die Nacht. Als ich wieder ins Hotel zurückkomme, meint die nette Dame, im Businesscenter kommt man ins Internet, dann sei doch alles klar. Dass das Wlan immer noch nicht funktioniert, interessiert nicht die Bohne. Mir platzt der Kragen.
Da ich sowieso nicht wirklich die ganzen Eindrücke dieser schönen Reise von der superschönen Stadt London überlagern lassen wollte, sondern hier nur symbolisch den letzten Kreis schließen wollte, cancele ich die zweite Nacht. Hier ist man, zumindest als individual Gast schlicht nicht wirklich willkommen, und die Rate für die zweite Nacht war sowieso eine Frechheit für einen Samstag.
Aber kein Problem, die Reise ist sowieso zu Ende, morgen geht es mit dem Zug nach Dover, und da mein Vater so nett ist und mich in Calais abholt, kann ich mir das Gegurke mit dem Zug sparen, denn das gestaltet sich mit dem Fahrrad außerordentlich schwierig. Da kommen schnell über zwanzig Stunden zusammen…