Donnerstag 18.06.2009
Wetter: bewölkt, 17 bis 21°
Tageskilometer: 134
Gesamt zurückgelegte Kilometer: 6786
Tages-Fahrzeit :5:25 h
Gesamte Fahrzeit: 335:24 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 24,7 km/h
Tageshöhenmeter: 772
Gesamt Höhenmeter: 71105
Maximale Steigung 8%
Maximalpuls: 160
Durschnittliche Pulsfrequenz: 127
Da ich gestern abend meine Kamera vergessen hatte, mache ich heute morgen noch ein paar Fotos von Bedford, eigentlich ein ganz nettes Städtchen. Und das Frühstück gab es mit Blick auf den Fluss.
Zunächst ist die Strecke sehr flach, und ich habe leichten Rückenwind, oder zumindest keinen Gegenwind, so dass ich bis Cambridge einen Schnitt von über 28 km/h fahren kann. Mit dem Verkehr das geht eigentlich, auch scheinen die Autofahrer wieder relaxter.
Gestern hatte ich das Gefühl, das mein Besichtigungspensum erfüllt ist, und ich einfach nicht mehr offen bin für weitere Eindrücke. Aber in Cambridge zeigt sich, dass das nicht stimmt. Die Stadt ist schon klasse, auch hier dominieren die Besucher knapp vor den Studenten das Stadtbild, aber irgendwie kommt Cambridge sympathischer rüber wie Oxford.
Das Kings College ist zwar geschlossen, aber die berühmte Chapel des Colleges kann man besichtigen. Und die ist den Eintritt von fünf Euro allemal wert. Es ist nicht nur die berühmte Decke im Perpendicular Style, sondern die gesamte „Komposition“. Die Proportionen erscheinen mir perfekt. Etwas ganz anderes wie die durch Größe beeindruckende Liverpool Cathedral, aber wenn man drin steht denkt man: „perfekt!“. Nebenbei stammt das Altargemälde von Rubens…
Da ich vor langer Zeit schon mal in Cambridge war erspare ich mir die Bootsfahrt auf dem Kanal, das macht aber durchaus Spaß.
Die zwei anderen Colleges, welche ich mir gerne angeschaut hätte, lassen leider heute auch keinen rein, so schaue ich nur von außen, und mache ein paar Fotos. Im Queens College hat immerhin mal Erasmus von Rotterdam griechisch gelehrt, im Clare College war Sir Isaac Newton eingeschrieben usw. Also schon alles richtig „altehrwürdig“.
In den geschäftigen Straßen um die Colleges und den Market Hill ist mächtig was los. Bei den Touristen haben die asiatischen Besucher einen hohen Anteil, in Oxford waren es mehr die Amerikaner die das Bild dominierten. Vielleicht ein Ausdruck unterschiedlicher Wertschätzung, vielleicht aber auch einfach nur eine entgegengesetzte Richtung der Busse…
Die meiste Zeit verbringen ich aber im Fitzwilliam Museum. Das ist mal richtig gut. So muss ein Museum aussehen (jedenfalls für mich gerade in diesem Moment…).
Die Gemälde Gallerie ist beeindruckend, Rembrandt, van Dyck, Rubens, oder Cezanne, Monet, Renoir, Rodin, oder wer und wann auch immer. Es gibt eine Sonderausstellung zu Darwin, die interessant ist, und vor allem auch eine großartige Sammlung zu den frühen Hochkulturen. Das Museum gehört auf jeden Fall ins Pflichtprogramm eines Cambridgebesuchs.
Wie gesagt ich war schon mal hier, aber ehrlich gesagt kann ich mich kaum an was erinnern außer der Bootsfahrt, so bin ich ganz froh, dass ich diese Schleife noch in die Strecke eingebaut hatte, und jetzt realistische Vorstellungen im Kopf habe wenn von Oxford und Cambridge die Rede ist.
Ich hatte im Museum ein bisschen was gegessen, aber je länger der Tag dauert, desto schwieriger wird es mit dem Essen. Und zuwenig essen heißt, irgendwann wird der Akku leer. Noch dazu habe ich die letzten Nächte nicht gut geschlafen, sondern bin immer wieder schweißgebadet aufgewacht, so dass ich alle Betten die mir zur Verfügung standen (meist 3, da es kaum Singlerooms gibt) aufgebraucht habe.
So mache ich mich auf den Weg nach Colchester, unterwegs gibt es noch ein bisschen Ananas an der Tanke, und dann mal schauen, ob ich die Stadt erreiche, in der ich meinen ersten Englandbesuch verbracht habe.
Ich fahre die 1307 bis Haverhill, und dann auf die 1092. Und hier gibt es nochmal eine kleine aber wunderschöne Strecke. Das ist England wie ich es immer im Kopf hatte. Vielleicht bin ich damals irgendwie durch diese Gegend gefahren, und die Bilder haben sich als Symbol für Enland im Gehirn manifestiert, keine Ahnung. Zumindest erkenne ich nichts konkretes wieder, aber genau solche Bilder erzeugte das Word „England“ in meinem Kopf vor dieser Reise.
In Long Melford versuche ich einen kurzen Anfall von Hunger und Appetit im Pub zu stillen, aber letztlich kommt ein Tee und ein Eis dabei heraus. Das Eis ist richtig lecker, und die zwei Erdbeeren dabei sind sensationell.
Erstaunlicherweise sind es nur noch 15 bis 20 Meilen bis Colchester, so schaffe ich es trotz umfangreichem Besichtigungspensum heute wohl doch noch bis dorthin.
Das Eis erweist sich aber als wenig hilfreich. Die Straße, die 134, wird recht schmal, links die Hecken und Büsche ragen recht weit auf die Fahrbahn, und ich habe das Gefühl ich mache schlapp. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür, ich fahre immer noch einen 25er Schnitt, aber ich spüre die Beine als wären sie woanders, die Hände sind sowieso eingeschlafen, und alles fühlt sich seltsam an. Es gibt keine Möglichkeit zum anhalten, so muss ich auf so einer leichten Etappe doch noch mal ein bisschen beißen. Aber das geht vorbei.
Es scheint als ob sich der Mangel an komplexen Kohlehydraten jetzt ein bisschen rächt. Noch zweimal halte ich an auf dem weg nach Colchester, und die Kilometer fließen zäh. Aber nur im Kopf, tatsächlich machen die Beine ihre Arbeit dann doch ganz ordentlich, und gegen 18.20 bin ich in Colchester.
Bei der Fahrt ins Stadtzentrum hatte ich den Stau wie üblich links überholt, nur dass mir diesmal ab zentrumsnähe ein ganzer Fahrstreifen dazu mit Pylonen abgesperrt ist. Wie sich herausstellt findet hier heute ein Radrennen statt! Na das schaue ich mir doch an, die Jungs sind schon am Warmfahren, so suche ich mein Hotel an der Strecke, die sowieso im Stadtzentrum liegt.
Frisch geduscht, und mit 4000 Meilen im Rücken schlendere ich die Strecke entlang, und schaue mir an verschiedenen Stellen an, wie die Führenden und das Peloton vorbeirauschen. Was für ein schöner Zufall.
Ein bisschen Essen, und dann DAS Hotel gebucht, das den Endpunkt meiner Reise bedeutet.
2 Bridge Road London SW1.
Morgen werde ich mir noch etwas Colchester anschauen, ich habe auch hier bis jetzt nichts wiedererkannt. Mal sehen was ich morgen noch so finde.
Dann geht es auf die letzte richtige Fahrradetappe, so ca. 110 Kilometer, allerdings richtig Verkehr. Also das Ziel ist noch nicht erreicht, da muss ich noch heil durchkommen. Denn einen kleinen Vorgeschmack darauf, dass die Leute desto gestresster sind, je näher man an London kommt,.hatte ich ja gestern schon, und das merkt man halt auch den Autofahrern an.
Ab Cambridge war das Verhalten im Verkehr übrigens heute wieder wie im Rest von England, und die Leute typisch britisch außergewöhnlich freundlich und relaxt. D.h. ah lovely, yes thank you, lovely..ohne Ende, und vor allem „Can I help you Darling?“ „Take Care Sweetie“, wenn man die richtige Verkäuferin erwischt, oder die richtige Dame nach dem Weg fragt. Gefällt mir gut, werde ich vermissen.