steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

Tag 14 Lynmouth – Bath

Wetter: bewölkt aber trocken 13 bis 15°
Tageskilometer: 140
Gesamt zurückgelegte Kilometer: 1246
Tages-Fahrzeit :7:38 h
Gesamte Fahrzeit: 74:33 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 18,2km/h
Tageshöhenmeter: 1942
Gesamt Höhenmeter: 16937
Maximale Steigung 26%
Maximalpuls: 170
Durschnittliche Pulsfrequenz: 132

Ich hatte einen ganzen Tag Zeit mir eine Strategie zurechtzulegen, wie ich denn aus diesem „Loch“, in das ich über eine lange und beeindruckende Abfahrt hineingekommen bin wieder herauskomme. Den zu erklimmenden Berg konnte ich immer sehen, und das 25% Schild hatte ich mir auch schon angeschaut.

Die erste Idee war mit der „Cliff Railway“ hoch nach Lynton zu fahren, doch das hätte nichts gebracht, denn auch der Weg von dort führte über Lynmouth. Die zweite Idee war die Wasserflaschen erst nach dem Anstieg aufzufüllen und auf das Frühstück zu verzichten und so um 5 loszufahren, damit ich „Miniserpentinen“ über die ganze Straße hinweg fahren kann. Aber das bringt auch nix, wenn doch ein Auto kommt habe ich ein Problem.

Also frühstücke ich ganz normal, versuche mich auf dem langen Parkplatz, der ein paar hundert Meter die Klippe entlang führt einzufahren, was aber mehr Alibifunktion hat und fahre dann mit Wucht in die Steigung.

Ich hätte genauso gut gegen eine Wand fahren können, 25% sind einfach obszön. In Clovelly habe ich die geschoben, hier muss ich es einfach probieren. So direkt nach dem Frühstück, ohne die Muskeln recht aufzuwärmen, das ist der Hammer. Schnell fühlt es sich an als würden die Oberschenkel platzen, und der Schweiß rinnt in strömen, im Stehen im ersten Gang versuche ich da hochzukommen, im Kopf das Bild von dem Radrennen, das genau über diese Strecke führte.
Nach siebenhundert Metern ist Schicht, ich sehe zwar schon die Kuppe, wo sich die Steigung verflacht und nur noch um die 12% hat, aber keine Chance, mehr wie hundert Prozent geht nicht, ich bleibe stehen, komme gerade noch aus den Klickpedalen, und versuche einfach nur Luft zu kriegen. Mein Körper badet im Laktat, das Atmen ist mehr ein Keuchen, der Schweiß rinnt literweise, ich überlege kurz ob ich kotzen soll, lass es aber, die Nase läuft als wäre es Wasser, das war wirklich die Grenze. 40 Kilo Fahrrad und 25% schaffe ich nicht einen Kilometer lang, und offensichtlich auch nicht acht- bis neunhundert Meter.
Ich versuche wieder auf’s Fahrrad zu kommen, um weiter zu fahren, aber es ist einfach zu steil, keine Chance. So schiebe ich gut hundert Meter bis es etwas abflacht. Das nächste Schild ist auch nicht gerade aufbauend. Jetzt geht es anderthalb Kilometer mit 12% weiter.


Ich bin komplett Platt und fahre immer von Ausweichbucht zu Ausweichbucht. Geschätzt hatte ich die Steigung aus der Ferne auf 9% (mittlerweile treffe ich da meist ziemlich genau), zum Glück gibt es auch Passagen, wo es etwas weniger wie 12% sind. Ich quäle mich da hoch, mittlerweile tut mir alles mögliche weh, vor allem Hüfte und Rücken, aber auch ein unangenehmes Ziehen im rechten Oberschenkel. Ich sollte da wirklich vorsichtig sein, aber Schieben geht nicht, und irgendwann ist auch diese Steigung zu Ende. Allerdings denke ich daran nicht. Auch das eigentlich fantastische Panorama, der Straßenrand fällt fast senkrecht ab zum Meer, dringt nicht ins Bewusstsein (für Fotos hat es aber trotzdem gereicht). Irgend wie kämpfe ich mich nach oben, denke ich. Allerdings war das Ende nur angetäuscht, „oben“ geht es zweistellig weiter.



Aber irgendwann bin ich tatsächlich oben, und das Laktat scheint auch mein Gehirn zu überschwemmen, denn nach einer kleinen Pause singe ich auf dem folgenden Kilometer die am Straßenrand stehenden Schafen an, mit der 78er WM Hymne von Udo Jürgens. Aber auch das geht glücklicherweise wieder vorbei.
Auf der A39 fahre ich zwar jetzt nicht gerade über eine Hochebene, aber die Steigungen sind doch meist normal, so dass das Auf und Ab gut zu bewältigen ist. Zwischendurch scheint sogar etwas die Sonne. Der Blick über das Exmoor und das nächste Teilstück ist sehr schön.





Zunächst geht es nach Minehead, ich hoffe irgendwie, dass ich nicht noch mehr solcher Torturen machen muss, und die Straße einfach oben bleibt und ausnahmsweise einfach Abzweigungen runter in die Orte am Meer führen. Beim ersten Ort ist das so, als ich aber Minehead erreiche, geht es ein fette Abfahrt hinunter, am Schluss mit 25% auf Rollsplit. Auch eine interessante Erfahrung, denn da ich nicht nur vor den Kurven bremsen kann, sondern ständig „Angstbremsen“ muss um das Tempo im Zaum zu halten, nützt auch der abwechselnde Einsatz von Vorder- und Hinterradbremse nichts, und als ich die schmorenden Bremsgummis riechen kann mache ich eine Pause. Wenn bei der Felgenbremse die Felge zu heiß wird kann der Schlauch platzen, und das käme mir doch recht ungelegen.

In Minehead angekommen, muss ich aber zu meiner Freude feststellen, dass ich nicht wieder so steil dort hinaus muss, sondern sich der Ort in einem großen flachen Stück Marschland befindet und es von dort nicht über einen Berg hinausgeht, sondern die A39 sich jetzt mit moderaten Steigungen um die Hügel, die deutlich abnehmen herumschlängelt.

So kann ich endlich mal ein paar Kilometer machen. Der Verkehr nimmt sehr stark zu, und das bleibt auch den ganzen Tag über so. Ziel ist es möglichst nahe an Bath heranzukommen. So spule ich Kilometer um Kilometer ab, der Verkehr und die Anlage der Straße verhindern, dass ich von der sich jetzt etwas ändernden Landschaft viel mitbekomme.


Bis auf den rechten Oberschenkel haben sich alle Körperteile wieder erholt. Den beruhige ich, in dem ich sehr hohe Trittfrequenzen fahre und versuche das auch an den Steigungen beizubehalten.

An Bridgewater vorbei geht es nach Überquerung der M5 weiter nach Street (seltsame Idee einen Ort Straße zu nennen…) und Glastonbury. Während Street hautptsächlich durch seine Schuhindustrie glänzt, gibt es in dem doch recht ansehnlichen Städtchen Glastonbury neben dem „Rural life Museum“, in dem der ländliche Alltag so ungefähr im 18. Jahrhundert dargestellt wird (inkl. Streichelzoo), noch das Tor.




Der Überrest einer Kirche aus dem 14. Jh., die durch ein Erdbeben zerstört wurde und der auf einem 160m hohen Hügel steht. Es gibt hier auch einigen Blödsinn zu mit Avalon und dem heiligen Gral und Blabla, aber unabhängig davon siehts cool aus. Die Scheune in dem Museum sah mehr aus wie eine Kirche, auch sehr interessant.


Von Glastonbury geht es weiter Richtung Bath, jetzt kommen allerdings wieder richtige Hügel mit den entsprechenden Steigungen, auch wenn die Straßenbauer hier meist etwas gnädiger waren.
Die Gegend, bzw. die Orte wirken hier sehr grau, was zum einen auf die Farbe des Baumaterials der Häuser zurückzuführen ist, zum anderen wirkt aber vieles recht heruntergekommen. Vor allem Shepton Mallet ist mir da als Beispiel in Erinnerung. Genaugenommen sehen sogar noch die ersten Stadtteile von Bath, durch die ich hindurchfahre, so aus.


So bei Kilometer hunderpaarundzwanzig, als doch immer wieder eine neue Steigung zu kommen scheint, muss ich einfach mal anhalten und laut schreien. Der Verkehr geht mir doch sehr auf die Nerven, so dass dieses herausfluchen etwas Anspannung ablässt.

Nach 140 Kilometern komme ich im Zentrum von Bath an, dass seinen Status als Weltkulturerbe sicher zurecht hat.



Außerdem scheint die Stadt insgesamt sehr lebhaft zu sein. Mein Traumhotel finde ich sehr schnell, direkt an der Abbey und bei Sally Lunns. Leider ist nur noch eine Familysuite zu haben. Das geht etwas auf’s Budget, dafür ist das Zimmer riesig, und mein Fahrrad bekommt einen prominenten Platz im Hotelflur.

Ein erster Stadtbummel bestätigt den ersten Eindruck, für eine längere Session in Pub oder Cafe bin ich aber wie immer viel zu müde.

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