steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

Großglockner die Erste

Samstag 22.05.2010

Eigentlich wollte ich gemütlich Frühstücken und spät losfahren, da ich dachte dann wäre es oben am Berg bestimmt wärmer. Aber ich bin schon um halb sechs wach. Ich schaffe es noch bis kurz nach sechs liegen zu bleiben, dann ist aber der Ruf des Berges zu stark…

So sitze ich um sieben Uhr auf dem Fahrrad. Bei meinen Trainingsfahrten zu Hause hatte ich eine regelrechte Angst vorm Glockner entwickelt, da ich wusste um wieviel schwerer es ist einen so heftigen Alpenpass hochzukommen, als die kurzen Steigungen zu Hause zu fahren, und die haben sich schon so schwer angefühlt.
Diese Angst ist jetzt irgendwie komplett weg. Allerdings habe ich auch noch nicht dieses schöne Gefühl „in den Bergen“ zu fahren, dafür ist der Kopf nicht frei genug. Es ist eher als würde man wissentlich in ein sehr schweres Training gehen. Letztlich ist es ja auch so.

Das schöne an der Strecke ist, dass man sich bis zum Bärenwerk, das kurz hinter Fusch liegt, gut einradeln kann.

Dann geht es aber auch gleich richtig los, und es ist genauso anstrengend wie ich es mir vorgestellt habe. Ich bin sehr froh, dass sich mit der XX-Kassette von SRAM doch noch eine Lösung für mein Übersetzungsproblem gefunden hat, und ich nutze die 34-32 häufig.

Bevor es in die Steigung geht überhole ich zwei Reiseradler. Sie kommen wohl aus Tschechien oder der Slowakei, so genau kann ich die Fahne nicht zuordnen. Die wollen mit vollem Gepäck über den Glockner, ich wünsche ihnen viel Erfolg, und bin gespannt wo ich sie auf der Abfahrt wieder treffe.
Ich habe mir vorgenommen mindestens bis zur Mautstelle zu fahren. Und natürlich will ich weiter fahren, habe mein Mindestziel aber so niedrig angesetzt, damit ich vernünftig bleiben kann und bei eventuellem Schnee oder Eis es auch wirklich schaffe umzukehren.
Es geht wirklich ordentlich berghoch und obwohl ich die Strecke kenne, ist es doch praktisch nicht möglich sich als Flachlandtiroler auf die Herausforderung wirklich einzustellen. Deshalb war es auch so wichtig vor dem Glocknerkönig wenigstens noch einmal einen heftigen Pass und natürlich am besten gleich den Glockner zu fahren.
Das Wetter ist ok, die Temperatur geht, regnen tut es auch nicht, mehr kann man nicht verlangen. Wie es nachher in 2000 Metern Höhe aussehen wird sehe ich dann. Irgendwann kommt dann auch tatsächlich die Mautstelle Ferleiten, und vor allem das Flachstück davor, wo man sich so schön erholen kann.

Ich versuche ein Zeitmessticket zu ziehen für die Zeitmesstrecke, aber die ist noch nicht in Betrieb. Aber die Lap-Funktion des Radcomputers tut’s auch. Dann geht es in den eigentlich fiesen Teil, denn ab jetzt gibt es keine Erholungsabschnitte mehr bis oben zum Fuscher Törl. Höchstens mal ein paar Meter vor einer Kehre, sonst immer zwischen 10% und 12% Steigung.
Es ist schon die erwartete Quälerei, der Puls ist ziemlich konstant bei 171, was auf jeden Fall schon der rote Bereich ist. Das war aber letztes Jahr genauso. Nur fühlt es sich härter an. Man kann im Training einfach nicht so hart zu sich selbst sein wie der Berg es ist. Zumindest geht es mir so.
Der Glockner zum Saisoneinstieg fühlt sich in etwa so an wie letztes Jahr die Söldner Gletscherstraße in sehr guter Form. Was aber auffällig ist, ist dass das Material gerade nicht auffällig ist. Ich verschwende kaum einen Gedanken an das Fahrrad, obwohl Pedalsystem, Schuhe, Lenker, Laufräder, Rahmen und Schaltung völlig neu sind.
Gerade der Lenker ist eine Sensation, extrem bequem, vielleicht wäre für den Berg noch ein kürzerer Vorbau angebracht, aber das weiß ich erst nach mehreren Bergfahrten. Die Sitzposition scheint gut zu funktionieren, wie das gesamte Rad. Mein Körper funktioniert aber nicht gut, eher so „befriedigend“ bis „ausreichend“.
Das interessante am SRM System ist (auch Teil des neuen Fahrrades), dass es einem deutlich macht, dass viel weniger der Berg, oder Kopf das Problem ist, sondern dass es tatsächlich die Muskeln sind. Je länger ich fahre umso geringer ist die Leistung, die ich mit einem bestimmten Anstrengungsgrad fahren kann. So nach der Hälfte bis drei Viertel der Strecke fühlt es sich an manchen Stellen an, als ob ich in einer zähflüssigen Masse trete.

Irgendwo oberhalb von 2000 Metern muss ich kurz anhalten, obwohl meine Trittfrequenz unter 60 abgesunken ist, muss ich im kleinsten Gang noch über 280 Watt aufwenden um vorwärts zu kommen, irgenwas stimmt nicht. Zu meiner Überraschung stelle ich dann fest, dass die Bremse hinten zu ist! Na super, nicht nur gegen die Steigung bin ich die letzten Kilometer gefahren, sondern auch noch gegen die Bremse. Ich hatte diese sehr knapp eingestellt, und irgendwie hat sich der Zug verkürzt, vielleicht durch die Temperatur? Egal, ich mache einfach die Bremse hinten auf, berghoch ist das ja egal, und fahre weiter.
Geht gleich viel besser… Außerdem haben die 2 Minuten Pause den Muskeln natürlich Gelegenheit zur Erholung gegeben.
Ich fahre jetzt schon durch Schneewände an den Seiten, außerdem ist es ordentlich frisch geworden. Der Berg zieht sich da oben schon ganz schön, aber immerhin kann ich dann endlich den ersten Blick auf das Fuscher Törl werfen. Alles zugeschneit. Aber die Straßen sind immer noch frei, zwar nass, aber kein Schnee und auch kein Eis.

Ich erinnere mich, wie ich mir letztes Jahr beim zweiten Glocknerbesuch mit dem Österreicher oben am Fuscher Törl einen ordentlichen Zielsprint geliefert habe. Im Moment würde ich aber am liebsten noch eine Pause einlegen, aber die würde eh nichts bringen, außerdem ein bisschen Ehrgeiz ist schon noch da, so bleibe ich im Sattel und mache weiter. Ich weiß jetzt auch, dass ich oben angkommen werde, und so konzentriere ich mich nur darauf, ob es eventuell irgendwo angezogen hat und Eis auf der Straße ist, scheint aber nicht der Fall zu sein. Ich schätze es ist knapp über Null, nur der Wind pfeift manchmal sehr sehr kalt entgegen.
Schließlich ist tatsächlich das Fuscher Törl erreicht.

Ich mache meine Hinterradbremse wieder zu und fahre hinunter zur Fuscher Lacke, die allerdings zugefroren ist.

Mein Ziel ist jetzt natürlich das Hochtor, denn das ist ja auf der Glocknerstraße sozusagen die Passhöhe.
In diesem Zwischental, ist es schon merklich kühler, alles ist von Wolken eingehüllt und die Feuchtigkeit setzt sich auf der Kleidung ab und friert. Links und rechts sind mächtige Schneewände mit Eiszapfen, und weit schauen kann man nicht. Obwohl es mir jetzt nicht gerade warm ist, so ist das doch ein tolles Erlebnis hier zu fahren.

Ich weiß nicht ob die hier streuen, aber die Straße ist jedenfalls gut zu fahren. Jedenfalls was den Belag betrifft. Die Steigung haut allerdings an manchen Stellen nochmal richtig rein. Weil ich kaum 50 Meter weit gucken kann, verschätze ich mich völlig und vermute hinter jeder Kurve den Schlussanstieg zum Hochtor.

Der kommt aber nicht. Und wieder nicht. Und als er dann kommt ist er steiler wie ich es in Erinnerung hatte.
Aber irgendwann ist es soweit, und ich fahre in den 2. Tunnel, das Hochtor, hinein.

Und diese Durchfahrt ist sensationell. Die Straße ist zwar fahrbar und das Knirschen unter den Reifen ist hoffentlich kein Eis, aber die ganzen Wände und die Decke sind mit Reif und Eis bedeckt, was ein gespenstisch schönes Licht erzeugt. Man kann gerade genug sehen um fahren zu können. Es ist total still im Tunnel. Und da auch überhaupt keine Fahrzeuge da sind außer mir (die ganze Auffahrt waren nur zwei Autos, ein Schneepflug und ein Streckenkontrollfahrzeug unterwegs), kann ich diese letzten Meter zum Ziel in dieser fantastischen Atmosphäre sehr genießen.

Schließlich erreiche ich das Hochtor, und werde von einem garstigen Wind empfangen. Das Budchen mit der freundlich lächelnden Dame die mir so gerne Tee verkauft, ist leider nicht mehr da. Ich will nur schnell mein Zielfoto machen und dann wieder weg hier, denn es ist richtig kalt, so bewege ich den einzigen Besucher außer mir, doch aus seinem Auto auszusteigen, was er auch sofort bereut, und das Foto zu schießen. Dann mache ich mich wieder zurück durch den Tunnel.

Mein Ziel ist der Makeiwirt an der Fuscher Lacke, die Abfahrt bis dahin ist recht kalt. Schon im Tunnel peitscht mir der Wind eiskalt entgegen, das Wetter scheint etwas schlechter zu werden. Aber die Abfahrt durch die Schneewände ist trotzdem interessant.
Beim Makeiwirt gibt es ein ordentliches Frühstück, das hatte ich mir ja heute morgen gespart.

Dabei fällt mir auf, dass ich nur ein Energiegel genommen habe, und selbst das habe ich mir reingezwungen. Ich hatte überhaupt keinen Hunger, das war bis jetzt eigentlich immer anders. Na egal, jetzt genieße ich erst mal. Während des Frühstücks läuft auf Radio Salzburg ein Bericht über E-Bikes, und dass in manchen Regionen schon Aufladestationen auf den Bergen eingerichtet sind. Demnächst wird man also hier Radler treffen, die man vielleicht nicht hier erwartet hätte. Vor allem können die dann locker an einem vorbeiziehen. Na da bin ich ja mal gespannt.
Die nassen Klamotten wieder anzuziehen ist immer der unangenehmste Teil des Weiterfahrens. Aber durch den Gegenanstieg zum Fuscher Törl hoch, kann ich die Klamotten gleich wieder mit warmem Schweiß durchtränken. Als ich oben bin mache ich nur wieder die Hinterradbremse zu, die ich für den Anstieg geöffnet hatte und fahre erst mal vorsichtig in die Abfahrt hinunter nach Bruck. Denn falls es doch noch anzieht, und es Eis auf der nassen Straße gibt, will ich nicht gerade mit 60km/h auf der Eisplatte bremsen.

Gibt aber kein Eis, sondern die Straße ist super zu fahren. Ich fahre zwar gemütlich, aber gerade bei der Abfahrt merkt man doch sehr deutlich, dass das neue Fahrrad in einer ganz anderen Liga fährt. Ich fahre meist so zwischen 50 und 60 wo es geht, und das fühlt sich an als würde ich mit dem alten Fahrrad 20 fahren. Sensationell! Da ist noch richtig potential für eine schöne Abfahrt im Sommer.
Jetzt sehe ich erstmals auch einige weitere Radler und treffe vor allem auch die beiden Reiseradler wieder, sie haben ungefähr drei Viertel der Strecke geschafft. Ich versuche aufmunternd zu Grüßen, kann aus den Gesichtern aber ablesen, dass die beiden böse zu kämpfen haben. Also mit vollem Gepäck auf dem Reiserad hier hoch, Respekt.
Am Schluss der Abfahrt habe ich dann auch für heute genug, die Füße sind mittlerweile recht kalt, und ich freue mich auf die heiße Dusche. Außerdem beschließe ich noch einen Tag dranzuhängen und morgen nochmal zu fahren. Zeit zum regenerieren habe ich ja genug.
Abends kommt dann tatsächlich die Sonne nochmal raus. Vielleicht ist morgen ja ähnlich gutes Wetter oder sogar besseres wie heute.

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