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Ultracycling und Alpenpaesse

Weitere Überlegungen zum Alpenbrevet

Ich hoffe mal die Taperingphase war nicht zu lange. Bis jetzt hatte ich immer zwei Wochen zwischen maximaler Trainingsbelastung und Wettkampf. Diesmal sind es fünf Tage mehr. Auch wenn in der sportwissenschaftlichen Literatur oft von drei Wochen zwischen maximalem Trainingsreiz und Wettkampf die Rede ist, so fühlt sich das für mich zu lange an. Am liebsten wäre ich am Dienstag schon den Alpenbrevet gefahren, und zwar auf Sieg, so gut habe ich mich gefühlt.

Mittwoch hatte ich ein echtes Loch, so dass ich sogar kürzer als geplant gefahren bin, gestern wars dann wieder wunderbar, so dass die Installationsfahrt immerhin eine halbe Stunde gedauert hat, und heute war ich fast zu fit. Ich hatte tierisch Lust von Innertkirchen aus nicht gleich wieder zurück nach Meiringen, sondern auch noch den Grimsel hinauf zu fahren. Oder wenigstens die große Scheidegg, aber das wären natürlich viel zu viele Höhenmeter gewesen.

So konnte ich mich gerade noch beherrschen, und bin von Innertkirchen aus wieder über die kleine Stufe zurück nach Meiringen gefahren, und dann statt berghoch nochmal zum Brienzer See.

Körperlich scheine ich fit zu sein, mental schwankt das sehr. Wie gesagt, fast drei Wochen tapern, also regenerieren, den Körper aber ab und zu an die kommende Aufgabe erinnern, Stress fernhalten und gut ernähren finde ich schwierig. Gerade der Spagat zwischen Regeneration und aufrechterhalten bzw. entwickeln der Form ist heikel.

Anyway, morgen ist es endlich soweit, und ich schwanke zwischen agressiver Vorfreude, und Sorge um Form, körperliches Wohlbefinden und Respekt vor der Aufgabe die da kommt. Auf Grund des scheinbar guten Wetters haben sich noch recht viele angemeldet, so dass doch über 470 Fahrer von insgesamt ca. 1900 die Platinstrecke in Angriff nehmen wollen.

Ich habe beschlossen die 11 Stundenmarke anzuvisieren. Der Körper hat das theoretisch drin, aber dann muss Tagesform, Wetter, Rennverlauf und mentale Verfassung passen. Wenn ich diese Marke knacken will brauche ich auf jeden Fall bis zum Lukmanier, oder besser bis Disentis Gruppen. Eigentlich heißt das, dass ich versuchen muss am Anfang vorne mitzufahren. Die Frage ist, ob die Spitzenfahrer schon am Grimsel ein Feuerwerk abbrennen, oder ob die es einigermaßen moderat angehen. Wenn ersteres der Fall ist, und ich dranbleiben will, werde ich vielleicht schon am ersten Pass spätestens aber am Nufenen verglühen, und dann bleibt nur noch Quälerei und eine schlechte Zeit.

Aber wenn man vom Nufenen runter bis Biasca und am Lukmanier alleine oder mit einer zu langsamen Gruppe fährt, verpulvert man seine Körner sinnlos im Wind, und so harmlos der Oberalppass auch zu sein scheint, dass der sich auch hart anfühlen kann wenn man nur genug Höhenmeter in den Beinen hat, weiß ich seit meinem letzten Trainingstag in der Schweiz vor knapp drei Wochen. Ganz zu schweigen vom Susten mit seiner langen psychologisch harten kehrenlosen Steigung.

Mein Ziel ist es also bis Wassen einen guten 25er Schnitt zu fahren. D.h. von Anfang an irgendwie vorn dranbleiben.

Ob das tatsächlich so diszipliniert und fair zu geht mit den Startblöcken wie vom Veranstalter erhofft wage ich zu bezweifeln. Die Startblöcke sind mit Durchschnittsgeschwindigkeiten gekennzeichnet, aber nachdem was ich bei den anderen Veranstaltungen schon gesehen habe, wie Teilnehmer über Absperrungen und Mauern klettern um sich möglichst weit vorne noch irgendwie reinzuquetschen, schätze ich, dass sich einfach alle vorne reinstellen, und man um so weiter hinten steht, je später man kommt.

Da die Straßen nicht abgesperrt sind, kann man sich nur schwer nach vorne durcharbeiten. Es kann auch passieren, dass man in einer Abfahrt hinter einem Wohnmobil hängt oder an einer Bahnschranke warten muss. Da heißt es sich vorher mental drauf einstellen und ruhig bleiben. Das wird mir sicherlich schwer fallen.

Apropos schwer. Mein Fahrrad ist immer noch zu schwer. Im Gegensatz zu einem Radrennen muss man bei einem Marathon einfach zu viel mitnehmen. So werde ich inkl. Trinkflaschen ca. 12,5 Kilo Fahrrad die Berge hochhieven. Ich hoffe es läuft dafür bergab soviel besser, als das Alte, dass ich wenigstens in den Abfahrten einen Vorteil habe. Bei den kurzen Fahrten gestern und heute konnte ich das noch nicht testen.

Je länger ich darüber nachdenke, desto vermessener scheinen mir die 11 Stunden als Ziel. Nach dem Ötzi war ich tot, und der hatte nur 5500 Höhenmeter, wenn auch anders serviert. Allerdings sollte ich morgen auch besser sein als beim Ötzi letztes Jahr, sonst wäre das Training ja komplett sinnlos gewesen, auf jeden Fall aber „falsch“.

Laut Leistungsdiagnostik vor Trondheim – Oslo hatte ich zu diesem Zeitpunkt ziemlich genau die Form, die ich 2010 beim Ötztaler Ende August hatte. Erst danach habe ich mit dem Bergtraining angefangen. Da muss einfach mehr drin sein. Auch die Prognose vom Perfolizer legt 11:30 h oder schneller nahe. Die Spitzenzeiten auf der offiziellen Zeitentabelle liegen aber über 10:30 h.

D.h. definitiv, wenn ich an meine Grenze gehen kann und unter 11 fahre wäre ich verdammt nahe an der Spitze dran. Irgendwo muss da ein Denkfehler sein. Beim Ötzi war ich zweidreiviertel Stunden hinter dem Sieger. Vielleicht liegt es wirklich daran, dass hier nur Jedermänner fahren? Brevet deutet ja auch mehr auf Randonneure hin wie auf Racer, aber die wollen ja eigentlich nur in der Karenz bleiben und könnten folglich mit 13 Stunden zufrieden sein. Ich bin echt verwirrt. Ich muss sofort aufhören darüber nachzudenken, sonst habe ich gar keine Strategie mehr für morgen.

Ich schlendere einfach noch etwas durch das Dorf und schaue mir die ganzen Rennräder an. Das Village ist nicht so der Bringer, da gibt es wenig interessantes, aber die ganzen geparkten Velos sind teils hochinteressant. Auf die Andy Schleck ähnlichen gestalten, die mich morgen am ersten Pass schon in Grund und Boden fahren werden achte ich besser gar nicht…

Spontan beschließe ich dann noch, nicht, wie beim Ötztaler, auf eigene Riegel und Pulver zu setzen, sondern das zu nehmen was es an den Verpflegungsstationen gibt. Anhalten muss ich sowieso um die Flaschen aufzufüllen. Außerdem ist mein Magen eigentlich recht unempfindlich, und die angebotenen Sachen sind von Nutrixxion, laut deren Website sind die Inhaltsstoffe erstaunlich ähnlich wie bei meinen geliebten Sponser HighEnergy Riegeln und auch das KH-Getränk macht einen guten Eindruck. Das spart nochmal ordentlich Gewicht auf den ersten zwei Anstiegen.

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