Gestern bin ich natürlich etwas unruhig eingeschlafen, da ich mich über das Hotel geärgert habe. Insgesamt bin ich aber erstaunlich ruhig geblieben.
Um sieben Uhr wache ich auf. Immerhin sechs Stunden Schlaf. Ich überlege ob ich gleich zum Frühstück gehe, habe aber überhaupt keinen Hunger. So checke ich erst mal Emails und bekomme gleich die nächste schlechte Nachricht. Marco ist nicht in den Flieger gekommen, es gab Probleme mit dem Pass, obwohl er im März damit problemlos reisen konnte.
Das ist ziemlich schlecht, denn die Tage bis zur Anreise der restlichen Crewmitglieder muss ich nun mit Oli alles alleine erledigen. Aber vor allem wäre es wirklich übel, wenn er gar nicht anreisen könnte.
Ruhig bleiben und probieren was geht, mehr kann man jetzt eh nicht machen.
Ich gehe etwas lustlos zum Frühstück, habe auch die Haferflocken nicht gefunden, so gibt es ein paar Kellogs Cornflakes, ein bisschen Rührei und zwei Toast. Bevor ich keine Zimmer habe, habe ich auch keinen rechten Hunger.
Um 8 treffe ich mich mit dem Manager. Er meint mittlerweile ich hätte nur ein Zimmer. Booking.com habe ihm das nach tel. Rückfrage so bestätigt. Ich weiß nicht genau ob das Taktik ist um sich etwas Verhandlungsspielraum zu schaffen oder ob das einfach nur dreist ist.
Normalerweise ist es keine gute Idee eine Verhandlung mit einem Gewitter zu beginnen. Ich entscheide mich aber gleich für Blitz und Donner. Ich versuche ihm klar zu machen, das ich bestätigte Buchungen habe, und genau diese auch haben will, alles andere wird Krieg. Ich bin wirklich sauer. Er meint „you don’t want to work with me“ Klar arbeite ich mit dir und zwar dann wenn ich meine gebuchten Zimmer bekomme.
Er meint ich solle booking.com anrufen. Ich erkläre ihm, dass ich das nicht brauche, und dass die ihm niemals nur ein Zimmer als bestätigt angegeben haben können, wenn ich hier direkt vor ihm stehe, mit der App auf die booking Datenbank zugreifen kann, und dort meine bestätigten Buchungen stehen.
„again you don’t want to work with me“ ok, dann lass uns zusammen arbeiten. Ich rufe booking.com an, er bietet mir einen „free call“ an, zieht dann aber zurück als er feststellt, dass meine Supportnummern englische bzw. deutsche Vorwahl haben.
Er ruft also nochmal seine Kontaktnummer bei booking.com an, und verzieht sich erst mal in sein Office. Seinen Versuch mich vom Frontdesk wegzuschicken ignoriere ich, nerven ist die einzige Waffe die ich habe.
Nach einer Weile kommt er mit dem Telefon und übergibt mich an die Dame von booking.com „Whats your last name?“ „How do you spell it?“, hatten wir doch alles schon, „ I only have one booking here on that name“ Nee bestimmt nicht, ich habe doch hier die vier Reservierungsnummern „I have those, but I got only one booking under your name“, „so why don’t you look up the reservationnumbers then???“ Pause. Getippe auf dem Computer. „can you give me the manager again please?“ „sure“
Der Manager verzieht sich wieder in sein Kabuff. Ich rieche eine kleine Chance, das es sich doch noch auflöst. Vorsichtshalber checke ich aber am Frontdesk, wo es auch WiFi gibt, Alternativen. Ich hatte extra dieses Best Western gebucht weil es ganz ok zu sein schien und ich nicht wollte, dass die Jungs in einem abgerissenen Motel dieses Riesenabenteuer Race Across America starten.
Aber einige brauchbare Alternativen sollte es noch geben, das Hampton Inn z.B., zur Not ein Motel 6 o.ä. Aber es ist natürlich Hochsaison. Und RAAM. Ich suche bei hotels.com von der „anderen Website“ habe ich erst mal genug. Und siehe da, acht Leute würde ich noch zusammen unterbekommen, einer könnte bei mir ins Zimmer.
Der Manager kommt zurück, jetzt wo ich weiß, dass ich evtl. ausweichen kann ist meine Verhandlungsposition besser. Er faselt was von Fehler irgendwo zwischen mir, booking.com und dem Hotel.
Sorry aber ich habe mittlerweile ziemlich genau kapiert was passiert ist. Der Fehler liegt komplett beim Hotel. Und die Dame an der Hotline war nur nicht in der Lage die Buchungen zu finden, was ihr aber wohl mittlerweile gelungen ist.
Dann faselt er was von „miss spelling“, nee, alle Buchungen exakt der gleiche Name in exakt gleicher Schreibweise.
Und dann geht es auf einmal irgendwie doch. Offensichtlich hat booking.com ihm jetzt auch mitgeteilt, dass meine Buchungen bestätigt sind, und dass er das hinkriegen muss. Ich verzichte auf mein eigentlich gebuchtes Doppelzimmer mit Poolblick (wohlweislich zur Reserve schon als DZ gebucht) und bleibe im Einzel mit Blick ins Graue. Ich unterschreibe, dass ich die gleiche Rate akzeptiere, dann dauert es noch eine halbe Stunde bis er alle Buchungen verstanden hat und ich bin auf dem Stand der Buchung die ich eigentlich haben wollte. So grob jedenfalls. Möglicherweise hat ein Zimmer keine Klima, und nicht alle Poolblickzimmer haben Poolblick, so what!
Wir checken die Zimmerpreise nochmal, und geben uns dann pseudofreundschaftlich die Hand. Problem erstmal gelöst. 100% glaube ich erst daran wenn alle wirklich eingecheckt haben. Aber das sieht erst mal gut aus.
Während wir am Frontdesk diskutiert haben ist übrigens das hierher bestellte Shanes Neckbrace eingetroffen. Sehr gut. Im Zimmer packe ich es gleich aus und bin etwas enttäuscht. So primitiv hatte ich es mir dann doch nicht vorgestellt. $129.- hat das Teil gekostet, die Materialkosten liegen bei knapp $2 maximal, die Herstellung dürfte 3 Minuten dauern. Das ist schon frech. Wenn es mir aber im Fall der Fälle hilft, nehme ich das hin. Ich frage mich eh, wer so ein Teil kaufen soll außer RAAM Teilnehmern?
Ich maile noch kurz nach Deutschland und setze mich dann auf’s Fahrrad. Endlich mal auf das eigentlich wesentliche konzentrieren. Der Christoph hat schon recht, Radfahren ist doch kein Bürojob, auch wenn die Organisation beim RAAM nunmal einen großen Raum im Vorfeld einnimmt.
Ich fülle Wasser in die Trinkflaschen und setze mich auf den Silberpfeil. Auf dem Oceanside Boulevard rolle ich dem Pazifik entgegen. Sofort bekomme ich ein herrliches Gefühl von, von…so genau weiß ich es eigentlich gar nicht, jedenfalls spüre ich jetzt das RAAM. Das Privileg es überhaupt fahren zu dürfen, und ich merke wie sich die Wahrscheinlichkeit, dass ich tatsächlich am Start stehe immer mehr erhöht. Und das ich bereit dafür bin.
Ich cruise zunächst bis zu Betty’s Lot wo gerade Tribünen aufgebaut werden, aber wohl nicht für das RAAM oder doch? Ich versuche die Strecke im Garmin zu starten und den Start abzufahren, aber wie schon im März stehe ich nach drei Abzweigungen in einer Sackgasse. Dann halt nicht.
Ich fahre erst zum Hafen hinunter, es ist bitter kalt, 24° C aber recht windig. Mein Körper mag das gar nicht, und das obwohl ich die Allweathervariante von Unterhemd und Triko trage.
Mein linkes Knie kackst. Bei jeder Kurbelumdrehung einmal. Das hat es noch nie gemacht. Ich habe es die Tage beim Gehen schon mal gemerkt, kommt vielleicht vom Schleppen. Aber beim Radfahren, das ist neu. Tut nicht weh, aber knackst.
Vom Hafen wieder weg geht es steil berghoch. Nur ein kurzes Stück, sehr steil, und von der Ampel muss ich mit 500 Watt da hochtreten. Das Knacksen hört auf. Aber hundertprozentig fühlt es sich nicht an.
Egal jetzt, ich fahre auf die 76 in Richtung Osten. Der Wind weht vom Meer, locker im G1 kann ich meist über 40 fahren, jedenfalls wenn ich nicht an einer Ampel halten muss. Abgesehen vom Knie fühlt sich alles recht gut an. Das Rad läuft wie Sau, die Sitzposition ist ein Traum. So fahre ich eine knappe Stunde und biege dann auf die 395 ab. Es geht ganz ordentlich bergauf. Auch das fühlt sich gut an, ich merke immer wenn das Gewicht in Richtung 77kg geht, dann fühlt sich das Bergauffahren einfach anders an, ich glaube diesen Punkt würde ich ohne Waage finden, an jeder Steigung ab 6%.
Anyway, da ich mich hier nicht auskenne fahre ich noch eine kleine Seitenstraße rein wegen der Aussicht und kehre dann um und fahre die dieselbe Strecke wieder zurück.
Obwohl ich jetzt ja gegen den Wind fahre, ist das Rad sauschnell. Vielleicht sind die Zip 808 doch besonders schnell, vor allem wenn der Wind von Schräg vorne kommt, die Tour hatte da mal was von einem „Segeleffekt“ geschrieben.
So macht es Spaß zu fahren, auch wenn sehr viel Verkehr herrscht und es recht laut ist. Wieder in Oceanside angekommen fahre ich an der Strandpromenade entlang und dann einen kleinen Umweg wieder zurück ins Hotel.
Heute muss ich aber mal vernünftig zu Mittag essen. Wenig Gewicht ist ja gut, aber ordentlich ernähren muss ich mich bis zum Start schon. Ich schnappe mein Laptop und fahre zu Betty’s Fishhouse. Das Essen ist ok. Nur auf den Refill meines Tees verzichte ich, stattdessen bestelle ich einen neuen. Das hier meist Kaffee und Tee automatisch kostenfrei immer wieder aufgefüllt werden ist ja nett, aber beim Tee ist es eklig wenn immer wieder der ausgelutsche Teebeutel mit eher warmem statt heißem Wasser übergossen wird. Ein Brite würde einen Herzinfarkt bekommen. Mir schmeckts einfach nicht.
Ich drehe noch eine kleine Runde zu Fuß am Pier und am Strand vorbei. Die Tribünen waren für eine Graduation einer hiesigen Highschool aufgebaut. Scheint ein großes Event zu sein, und ganz schön viel Polizei.
Zurück im Hotel checke ich kurz Mails, versuche aber dann erst mal noch eine Stunde Schlaf nachzuholen, bearbeiten und antworten werde ich abends.
Dann muss ich auch schon nach LA gurken um Oli abzuholen. Wir haben uns direkt bei der Autovermietung verabredet, denn der zweite Minivan muss ja auch abgeholt werden. Gegen die tief stehende Sonne lasse ich mich mit dem Verkehr über den vielspurigen Highway treiben, Smoothjazz im Radio.
Nachdem ich mir beim Subway um die Ecke noch ein Sandwich besorgt habe sitze ich bei Hertz und warte kauend auf Oli. Da er ziemlich pünktlich angekommen ist und schon im Shuttlebus sitzt stelle ich mich schon mal an. 10 Minuten später ist er auch tatsächlich da. Also heute hatte wir immerhin eine Quote von 50% erfolgreicher Ankünfte 🙂 Ich hoffe das können wir noch steigern…
Nach 50 Minuten in der Warteschlange sind wir dran. Leider kann ich keinen Town & Country bekommen. Erst wird es ein Toyota, aber den geben wir wieder zurück, die Sitze sind nicht so klappbar wie gewünscht und zu wenig Steckdosen hat er auch. Zweiter Versuch wird schließlich ein Dodge Grand Caravan. Der ist zwar im Prinzip baugleich mit dem Town & Country von Chrysler, aber austattungsmäßig eine Stufe drunter. Keine Rückfahrkamera, kein Satellitenradio etwas andere Mittelkonsole usw. Der hat mehr Steckdosen als der Toyota, aber keinen integrierten 110V Anschluss. Aber wir haben ja mittlerweile einige Wandler.
So machen wir uns mit den zwei Vans auf zurück nach Oceanside. Oli ist ziemlich platt und ich mittlerweile auch. Mittlerweile ist es viertel nach elf, die Autobahn ist nach 15 Mintunten im LA Stadtverkehr ziemlich leer. Irgendwann fahren wir dann fast ganz alleine auf der 73.
Ich wünschte ich würde schon im Hotel im Bett liegen, aber eine halbe Stunde ist noch zu fahren. Da blinkt Oli hinter mir und gibt Lichthupe. Ich fahren in eine etwas seltsame Abfahrt auf den Standstreifen. Verdammt, ist was mit dem Auto? Nee, aber Oli hat Sekundenschlaf, der hat im Flugzeug nicht geschlafen und ist jetzt schon ganz schön lange am Stück auf. Wir beschließen, dass wir hier runterfahren, kurz anhalten und er ein paar Meter geht um wieder frisch zu werden. Es sind nur noch 35 Kilometer bis zum Hotel.
Wir fahren ab und auf die Lichter zu, das sieht aber aus wie eine Grenzkontrolle? Ich zögere, fahre weiter, da checke ich, dass es sich wohl um ein Camp der Army handelt mit Checkpoint und bewaffneten Wachposten. Ich halte an, will zurückfahren, aber hinter mir ist Oli und dahinter noch ein Fahrzeug. Nach vorne kann ich ja auch nicht, ich mache also den Warnblinker an und steige kurz aus um mit Oli zu reden, die Wachposten werden schon unruhig.
Drehen kann man hier gar nicht. Da kommt auch schon ein Wachposten im Laufschritt auf uns zu. Er ist erst etwas misstrauisch, aber sehr nett. Ich erkläre ihm kurz die Situation, wir sollen zum Kontrollpunkt fahren unsere Führerscheine zeigen und dann können wir hinter dem Wachhäuschen drehen.
Ok, ich steige ein, will die Warnblinkanlage ausschalten, geht aber nicht. Der Schalter sitzt fest und hat sich verhakt. Wir fahren erst mal am Kontrollposten vorbei, drehen und wieder zurück auf die Auffahrt zum Highway und halten dort unter einem Schild „No parking at any time“ an.
Die Warnblinkanlage geht nicht aus. Der Schalter sitzt bombenfest. So kann ich ja schlecht über den Highway fahren. Vor allem aber blinkt die ja auch, wenn man den Motor ausmacht und den Schlüssel abzieht. So lange bis die Batterie leer ist. Das Problem müssen wir also irgendwie lösen. Ich fummele mit flachen und spitzen Gegenständen an dem blöden Schalter rum, nix geht. Da platzt mir echt der Kragen. Jetzt reicht’s langsam. Kann mal jemand die versteckte Kamera ausmachen?!
Nach fünf Minuten Gefummel geht der Warnblinker dann doch aus. Aber der Schalter ist verklemmt, das ist für das Followcar ja großer Mist. Also ist hier noch eine Reparatur angesagt. F….k!
Eine halbe Stunde später sind wir im Hotel. Nach dem Checkin ist es halb zwei nachts. Ich bin jetzt wirklich platt. Ich kann nix mehr bloggen und keine Emails mehr beantworten, ich poste noch eine kurze Message auf Facebook und lege mich schlafen. Vorher mampfe ich aber noch drei trockene Toastbrote und ein Joguhrt weg. Mehr habe ich nicht im Kühlschrank. Ich habe viel zu wenig gegessen heute.
Ich träume gerade was von schwimmenden Fahrrädern, da klingelt das Handy. Es ist so halb drei oder was, genau kann ich die Uhr nicht ablesen mir brummt der Schädel. Es ist Oli. Marco und Anne haben ihn aus Deutschland kontaktiert, er hat den neuen Reisepass und will gerade den Flug umbuchen und braucht dazu eine Bestätigung von mir für flug.de
Ohje, ich fühle mich ziemlich zerstört, so fühlt sich das dann wohl ab 12. oder 13. immer an bevor ich auf’s Rad muss. Das hin und her Gemaile und GeSMSse dauert noch fast eine Stunde, glaube ich jedenfalls, ich bin ziemlich Schlaftrunken. Aber irgendwann haben wir’s dann, jedenfalls schlafe ich ein, mit dem dumpfen Gefühl, dass das kein optimaler Tag für mein Tapering war. Aber es war eine Radeinheit dabei die Spaß gemacht hat, das zweite Auto ist da, Oli ist da, und Marco kann Freitag nachkommen.