Nur noch zwei Tage bis zum Start. Jetzt wo die komplette Crew in Oceanside ist können wir loslegen und müssen die ganzen Prestart Verpflichtungen erledigen.
Um 8 Uhr treffen wir uns zum Frühstück, dann müssen alle die Unterlagen für den Registration Binder ausfüllen, verschiedene Formulare zur Haftung usw. Kopien von Führerscheinen, Versicherungsnachweise, Listen mit den Fahrern und noch einiges mehr. Dann gehen wir in mein Hotelzimmer und gehen das komplette Equipment durch, alle Klamotten, die Kisten und Schubfächer werden beschriftet, das Werkzeug besprochen und alle Teammitglieder liefern die Sachen ab die sie in ihrem Gepäck transportiert haben. Schnell gehen zwei Stunden dabei drauf.
Dann muss ich mit Jörg nochmal ins Office und Al prüft ob alles in Ordnung ist. Dabei ist er sehr penibel, er checkt die Telefonnummern und zwar solange bis tatsächlich jemand abhebt. Alle Führerscheinkopien werden geprüft und mit diversen Listen abgeglichen usw. Dauert auch eine Stunde. Dann mus Jörg zum vorgeschriebenen Crewchief Seminar.
Ich fahre wieder zurück ins Hotel und fahre zusammen mit Oli alle Crewmitglieder an den Pier, denn dort gibt es einen verpflichtenden Fototermin. (Allerdings hätte es wohl gereicht wenn ich alleine gefahren wäre, aber Crew und Team wird hier immer wieder Synonym in den Regeln benutzt, obwohl es zwei verschiedene Dinge sind)
Anyway, nach dem Foto gibt es noch ein kleines Interview zu absolvieren und ich hole Jörg beim Crewchief Meeting ab. Dann gehen wir nochmal beim Race Office vorbei, Al hatte eine Unterschrift vergessen, und die nette Dame dir mir gestern die Unterlagen ausgehändigt hat muss auch noch unterschreiben. Die ist echt der Hammer. Sehr amerikanisch, sehr witzig, immer ein bisschen am flirten, und hübsch ist sie auch noch… Und vor allem bekomen wir die begehrte Unterschrift. Einen weiteren Fleißstempel holen wir uns beim Finishershirt Sizing, und dann ist auch erst mal alles gemacht. Bleibt „nur“ noch die Inspection morgen von Autos und Fahrrädern.
Da wir mittlerweile alle recht hungrig sind gehen wir zu Betty’s Fish house essen. Dann versuchen wir noch bei Hertz endlich die ganzen Leute auf die Autos einzutragen, aber die Station hat Sonntags zu. Das im Internet zu findende 24/7 Hertzbüro gibt es überhaupt nicht. Seltsam.
Zurück im Hotel machen sich die Jungs an die Arbeit und präparieren die Fahrzeuge. Ich habe noch 90 Minuten Training auf dem Programm stehen. Ich fahre mit dem Canondale, es gilt ein paar EB und G2 Intervalle zu absolvieren, eine kleine Vorbelastung. Da es schon recht spät ist und ich keine Muse habe mir noch eine neue Strecke zu suchen fahre ich über den Coast Highway durch die Stadt und dann auf die 76, wie schon zuvor.
Wegen der vielen Ampeln dort muss ich mich eine ganze Weile einfahren bevor ich mit den Intervallen anfangen kann. Ich biege dann auf eine etwas verkehrsärmere Straße ab. Aber es geht nur gerade so. Immer wieder kommt dann doch nochmal eine Ampel, oder es geht steil bergab während ich versuche konstant 350 Watt zu treten. Mist.
Die G2 Intervalle sind natürlich länger, eigentlich kann ich die auf dieser Strecke gar nicht fahren, da ich erst eine Stunde rausfahren müsste bevor ich genügend Strecke habe. Ich wollte eigentlich mit dem Auto rausfahren, aber das wird ja gerade präpariert. Also fahre wieder stadteinwärts, biege dann aber noch mal in eine Wohnsiedlung ab um das Intervall an einer Ampel durchziehen zu können, aber auch da geht es nicht. Ich bin genervt. Zumal die Schaltung nicht gut funktioniert. In der Siedlung versuche ich dann mir ein längeres Bergaufstück zurechtzulegen, dabei biege ich aber so oft ab, dass ich völlig die Orientierung verliere und nicht mehr zur 76 zurückfinde.
Ich muss mich durchfragen. Komme dann zwar wieder auf den Highway, aber mit ordentlichem Intervall war nix. Mein Missmut steigt. Die Schaltung ist das eine, das linke Knie ist das andere. Ich denke mal dieses Knie entscheidet ob ich das RAAM bestehe oder nicht, neben meinem Nacken. Denn, das musste ich feststellen, die meisten anderen Fahrer, genau genommen alle deren Fahrräder ich gesehen habe, haben eine bedeutend höhere Sitzposition an den Aufliegern. Alles keine Serienteile, sondern selbstgefräste Zwischenstücke und Bastellösungen, aber halt hoch, sehr hoch. Irgendwie beruhigt mich das nicht gerade. Ich sitze zwar sehr gut, aber sitze ich auch sehr gut für dieses irrsinnige Rennen?
Ich kanalisiere meinen ganzen Missmut auf die Schaltung. Denn der Umwerfer schaltet nur wenn er will, oder wenn man hinten auch schaltet, also richtiger Schrott. Sorry Shimano, die 10fach Di2 war doch richtig gut, wieso verkauft ihr die 11-fach wenn sie noch nicht durchgetestet ist. Zuhause würde ich sie jetzt zurückbringen und reklamieren, aber ich muss übermorgen beim längsten und härtesten Radrennen der Welt damit fahren.. Ich bin stinksauer.
Ich hätte genauso gut 10 Minuten am Strand spazieren gehen können, der Trainingseffekt wäre der gleiche gewesen, nämlich Null. Was für ein Scheißtraining. Die Intervalle gingen nicht wegen Ampeln und Verkehr, das linke Knie ist noch nicht bei 100 Prozent, die Schaltung zickt. Arrgh!!!
Ich grummele noch sauer vor mich hin als ich im Hotel ankomme, aber die Jungs haben schon einiges erreicht bei der Fahrzeugvorbereitung. Es wird trotzdem hart morgen die Inspection beim ersten Durchgang zu schaffen, aber das alle so engagiert dabei sind und sich einbringen bringt mich wieder in positive Stimmung.
Es gibt halt nur wirklich sauviel zu tun, und es fällt mir schwer mich auszuklinken, manche Sachen muss ich halt auch machen, so ruhe ich viel zu wenig. Eigentlich dürfte ich die zwei Tage vor dem Rennen gar nichts machen, was natürlich völlig unrealistisch ist. Ich muss jetzt aber wirklich früh schlafen gehen, morgen um 7 Uhr ist Treffen und bis 10:30 h müssen die Fahrzeuge fertig sein.
Aber es ist eh schon nach ein Uhr nachts, ich bin schon übermüdet bevor das Rennen überhaupt losgeht, das ist ziemlich dämlich.
Lehnhäuser 9. Juni 2014
Alles wird gut, es sind jetzt tatsächlich nur noch 2 Aufkleber zu befestigen, die aber leider erst noch im Race Office besorgt werden müssen – neben einem weiteren Aufkleber fürs Dashboard. Die Helme sind noch zu preparieren, ein Warndreieck zu besorgen und am Radträger zu befestigen. 2 Aufkleber sind noch zu beschriften, und an die Sattelträger zu befestigen. Vorher noch mal zu Hertz, damit wir endlich mobiler werden. Dann 10.30 Uhr Inspection und schon können wir uns dem Beladen der Fahrzeuge widmen. Noch ein wenig Umgang mit unseren Navigeräten und den anderen Programmen üben, die ersten Kilometer der Strecke abfahren und dann haben wir das Meiste erledigt.
Guido und ich checken dann noch die Marschtabellen … und los!
Ich frag mich: Wieso denkt Guido nur an sein Knie?
Keep the rider going!