steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

Arlberg Pass – beide Auffahrten

Eigentlich sollte ich heute auf dem Weg nach Kiel sein. Oder gar schon am Wasser im Cafe sitzen und entspannt auf’s Meer schauen. Aber Corona hat meine Pläne geändert, und in einem Anfall von Übermut bin ich nach Bludenz aufgebrochen. Um das Ganze etwas entspannter zu gestalten und mehr Zeit auf dem Fahrad zu haben, bin ich schon gestern Abend losgefahren und habe eine Zwischenübernachtung in Ulm eingelegt, um dann heute morgen weiter zu fahren zum Zielort.

So kommt es, dass ich um halb Zwölf auf dem Rennrad sitze, am Ortsschild Bludenz die Runde starte und mich auf in Richtung Arlbergpass mache. Denn vor zwei Wochen hatten Marco und ich die Westseite des Passes ja ausgelassen, bzw. hatte es sich einfach nicht ergeben. In der Abfahrt konnten wir aber sehen, dass der Anstieg sehr schön ist, so dass ich diese Seite auch gerne noch fahren wollte.

Zwar hatte ich spätestens an den 30 Serpentinen zur Bieler Höhe gemerkt, dass ich eigentlich noch nicht wieder auf dem Niveau bin einen Alpenpass zu fahren, aber andererseits hatte es höllisch Spaß gemacht (zumindest als ich oben angekommen bin). Außerdem gibt mir das Rennradfahren in den Alpen einfach extrem viel, und so fahre ich trotzdem steil berghoch und hoffe einfach auf halbwegs gute Beine.

Da ich etwas unsicher war, ob ich wirklich gesund war (und einfach nur tatsächlich so langsam), oder ob eventuell ein Infekt mich etwas eingebremst hatte, habe ich neben einem PCR Test und einem kleinen Blutbild auch einen Antikörper Test auf Borreliose gemacht. Ich hatte nämlich nach einem heftigen Bremsenstich vor ca. 5, 6 Wochen immer wieder leicht erhöhte Temperatur, habe Nachts nicht gut geschlafen oder hatte auch mal einen viel zu hohen -Ruhepuls. Aber die Werte waren alle ok. Erklärt die Symptome nicht, bedeutet aber auch erst mal, dass nichts gegen das Radfahren spricht.

Anyway, jetzt genieße ich erst mal die Berge und das -Fahren. Die Sonne scheint, es ist trotzdem recht frisch. Eigentlich sehr gute Bedingungen für eine anspruchsvolle Passfahrt mit dem Rennrad.

Beim ersten Ort Bings geht es erstmals mit ca. 8% bergauf. Es ist nur eine kleine „Talstufe“, aber schon mal ein Test für die Beine. Die scheinen ganz brauchbar zu funktionieren. Unterstützt werde ich erstmal von etwas Rückenwind, den nehme ich natürlich gerne. Ich fahre teils parallel zur Schnellstraße S16, die durch den Arlbergtunnel führt. Hier stauen sich die Autos zu einer langen Schlange. Die Bundesstraße 197 hingegen ist frei. Ich fahre aber zunächst mal einen längeren Abschnitt durch den Schatten, und da ist es recht kühl.

Die 197 parallel zur Schnellstraße S16

Die Beine funktionieren ganz gut, noch ist es allerdings nicht sehr steil, so dass ich schön dosieren kann. An den folgenden Baustellen ignoriere ich die Ampelanlage, die schaltet nämlich bei Radfahrern nicht um und wahrscheinlich reicht die Grünphase eh nicht um durch die Baustelle zu kommen.

So erreiche ich bald Dalaas. Wie viele Orte hier im Tal gilt es vorher und hinterher eine Stufe zu überwinden in der die Steigung deutlich ansteigt, im Ort selbst ist es dann wieder recht flach. Manche Orte ziehen sich sehr in die Länge, was mir auf Grund der eben genannten Gegebenheiten durchaus entgegen kommt.

Bei Dalaas unterquert die Bundesstraße die Autobahn und es folgt ein kleiner Tunnel, irgendwie habe ich in Erinnerung, dass wir hier vor zwei Wochen von einer Tunnelumfahrung wieder auf die Straße zurückgekommen sind. So biege ich falsch auf einen wirklich steilen Fahrradweg ab, merke es aber zum Glück nach 300 Metern und kehre wieder um. Selten dämlich, habe ich mir hier doch schön noch ein paar steile extra Höhenmeter eingefangen…

Egal, die Beine haben auch das ganz gut weggesteckt und so fahre ich weiter durch das Tal in Richtung „Wald a.A.“ Hier liegt die Straße jetzt ein ganzes Stück über der immer noch parallel verlaufenden Autobahn. Bei diesem schönen Wetter ist es recht idyllisch hier. Ich fahre hauptsächlich in der Sonne und die Temperatur ist angenehm.

Nachdem ich Danofen und Klösterle passiert habe folgt eine Gallerie und Tunnel. Jetzt fällt es mir wieder ein, hier war das wohl mit der Umfahrung. Obwohl kein Verbotsschild für Radfahrer steht und nix ausgeschildert ist, biege ich ab, und gleich schraubt sich die vermeintliche Umgehungsstraße in Serpentinen steil nach oben. Ich klettere stumpf die gut 10% steile Straße hoch, aber mir kommen langsam Zweifel, dass dies die Umfahrung ist. Aber diesmal brauche ich länger als 300 Meter um es zu bemerken.

Als die Straße hoch über der Bundesstraße wieder zurück in Richtung Bludenz führt, merke ich es aber dann doch. Das kann doch nicht wahr sein! Ich drehe um, fahre steil bergab, und biege dann wieder auf die 197 ein und fahre in die Lawinengallerie. Hier gibt es einen breiten Radstreifen, also offensichtlich kein Grund für eine Umfahrung. Sowas passiert mir aber auch selten, und jetzt gleich zweimal.

Die Beine konnte ich dadurch aber zweimal richtig antesten, wenn auch nicht ganz freiwillig. Sie scheinen eigentlich ganz gut zu funktionieren. Noch genieße ich aber die immer wieder auftretenden Flachstücke. Ich fahre durch „Langen“ und einen weiteren kleinen Tunnel, bevor ich schließlich am Passür Tunnel ankomme. Hier ist endlich die Umfahrung, und auch das Verbotsschild für Radfahrer am Tunnel.

Auch diesmal geht es steil berghoch, aber ich bin mir jetzt sicher auf der richtigen Route zu sein. Die Höhenmeter sind also nicht umsonst…

Die Umfahrung ist zunächst deutlich steiler als ich es in Erinnerung hatte, flacht dann aber ab, und man wird mit frischem, superglatten Asphalt belohnt. Vor allem aber fährt man jetzt auf den Talschluss zu und hat freien Blick auf die Serpentinen, die die Straße hinauf zum Treffpunkt mit dem Flexenpass führen. Das sieht super aus, und obwohl ich etwas Respekt habe vor dem folgenden Abschnitt freue ich mich darauf.

Flach führt die Straße nach Stuben hinein, dann geht es gleich in die erste Serpentine und die Steigung zieht an. Zum Glück bleibt die Steigung aber immer so bei 9%, manchmal schlägt sie etwas nach oben aus, manchmal etwas nach unten. Das ist wirklich super zu fahren und ist für mich gerade richtig. Bei 8 bis 9 Prozent Steigung muss ich mit meinem Systemgewicht (Fahrer plus Fahrrad) so ca. 300 Watt treten um eine 80er Trittfrequenz halten zu können. Bei 270 Watt kann ich noch knapp über 70 erreichen. Hier liege ich meist so dazwischen. Vor allem kann ich immer hochschalten wenn ich in den Wiegetritt gehe, das war am Anstieg zur Bieler Höhe vor zwei Wochen nicht der Fall, da habe ich mich nur irgendwie hochgekämpft. Diesmal schraube ich mich Serpentine um Serpentine nach oben und genieße immer wieder den Blick ins Tal. Traumhaft!

Schließlich erreiche ich die Kreuzung wo man links zum Flexenpass abbiegen könnte. Mache ich aber nicht, denn mein Ziel ist ja die Arlberg Passhöhe. Und bis dahin ist es noch ein gutes Stück zu fahren. Jetzt allerdings ohne Serpentinen. Die Straße führt nur leicht kurvig zunächst steil berghoch, und dann nach einer kleinen Zwischenabfahrt mit ca. 8% aufwärts. Irgendwie habe ich jetzt Gegenwind, das war so nicht vereinbart. Aber der Wind bleibt moderat, wenn auch kühl.

Die Beine funktionieren noch ganz gut, und dann kann ich nach ca. 34 Kilometern Bergauffahrt erstmals die Passhöhe sehen. Das gibt einen Schuss extra Motivation, und so läuft auch der letzte Kilometer noch prima, und ich erreiche St. Christoph und den höchsten Punkt. Laut Passschild 1802 m (das besteht aus einem verrosteten Metallsteinbock. Whatever). Foto gibt es nur mit Fahrrad, keiner da, dem ich die Kamera in die Hand drücken könnte.

Da ich ja weiß, dass die hier oben einen exzellenten Himbeerkuchen haben, mache ich eine kurze Pause und gönne mir ein Stück und einen Kakou dazu. Lange verweile ich aber nicht, erstens ist es kalt und zweitens will ich ja die andere Seite auch noch fahren.

So ziehe ich mir die Jacke an und fahre runter nach St. Anton. Zunächst führt die Straße durch den Tunnel, der mir länger und steiler vorkommt als vor zwei Wochen. Und ich muss feststellen, dass mein Rücklicht nicht mehr leuchtet. Hatte es vollgeladen und vielleicht 10 Minuten angehabt. Was für ein Schrott. VDO ist als Lieferant für Fahrradbeleuchtung von der Liste gestrichen.

Zu meiner großen Freude ist aber der Straßenbelag nicht mehr abgefräst, sondern großenteils frisch geteert. Respekt, dass ging ja flott. Ich fahre trotzdem recht vorsichtig bergab, da frischer Teer ja manchmal „ölt“ und recht rutschig sein kann. Für die Auffahrt ist das aber super.

Da der Pass auf dieser Seite kurz und steil ist, bin ich nach 10 Minuten unten in St. Anton. Ich rolle nach dem Kreisel noch ein zwei Kilometer weiter, fahre aber nicht bis Pians oder Landeck weiter. Die Passstraße beginnt ja in St. Anton und außerdem ist es schon nachmittag, schließlich habe ich heute auch schon ein paar Autokilometer zurückgelegt.

Ich drehe um, ziehe an der Tesla Supercharger Station kurz die Jacke aus und rolle mich ein paar Meter ein. Dann drücke ich am Kreisel die Runde ab. Das macht am meisten Sinn, da hier die Steigung beginnt. (Letztes mal hatte ich ca. 200 Meter weiter oben die Runde gestartet, am ersten Ortsschild)

Die Straße klappt auch gleich nach oben und es geht erst mal mit knapp 10% recht gerade berghoch, bevor die Straße in zwei Serpentinen über St. Anton wendet. Hier gibt es nochmal eine kurze Verschnaufpause und dann zieht die Steigung auf 10% an und bleibt dabei.

Ich habe wirklich gehörigen Respekt, auch wenn ich jetzt natürlich weiß, dass der Anstieg insgesamt noch nicht mal 7 Kilometer lang ist. Aber Anfangs geht es noch, irgendwie jedenfalls. Ich fahre natürlich im kleinsten Gang (34-32) und die Trittfrequenz liegt unter 70, aber nicht immer und nicht so viel.

Auch das Hochschalten für den Wiegetritt versuche ich beizubehalten, fällt aber jetzt natürlich deutlich schwerer als vorhin auf der anderen Seite des Berges. Ich mache es trotzdem. Der frische glatte Belag ist sensationell. Ich denke mal gegenüber der abgefrästen Oberfläche bringt das einen halben Gang mindestens. So kämpfe ich mich nach oben, allerdings spüre ich die Anstrengung im ganzen Körper.

Gedanken an vergangene glorreiche Passauffahrten (zumindest in meiner Erinnerung) ziehen vorüber, ich versuche in einen Rhythmus zu kommen. Es gelingt sogar ein bisschen, allerdings empfinde ich den Anstieg diesmal fast als noch anstrengender als vor zwei Wochen. Irgendwie habe ich trotzdem die Hoffnung etwas schneller zu fahren. Vielleicht unter einer halben Stunde?

Obwohl die Kilometer, oder besser hunderte Meter ,eigentlich ganz gut dahinrollen, ist die Anstrengung so präsent, dass mir fast schlecht ist. Es ist ein seltsamer Mix. So zieht sich der Anstieg und ich vergesse Bilder zu machen, will auch keine machen um den Rhythmus nicht zu stören, mache dann doch eins, in der Hoffnung, dass nach der nächsten Kurve der Tunnel kommt. Und ich habe mich nicht getäuscht.

Entgegen meiner Erwartung nach der Abfahrt, fühlt sich der Tunnel wieder flach an, wie vor zwei Wochen. Das scheint eindeutig an den steilen Kilometern vorher zu liegen. Allerdings kann ich keinen Schlussspurt anziehen wie vor 14 Tagen. Ich kämpfe mich nach dem Tunnel den Schlussanstieg hoch. Diesmal habe ich keinen weiteren Radfahrer als Motivationshilfe. Aber dann ist es geschafft. Wieder bin ich auf der Passhöhe angekommen.

Stehenbleiben kann ich aber noch nicht, ich muss auf dem Parkplatz erst mal ein paar Runden die Beine ausfahren. Dann gibt es ein Selfie mit „Passhöhen Steinbock“.

Diesmal mache ich oben keine Pause, sondern ziehe nur eben die Jacke über und starte in die Abfahrt. Die kenne ich ja schon von unserer schönen Fahrt vor 14 Tagen, und so verzichte ich auf Fotos, sondern versuche einfach die Abfahrt zu genießen.

Das gelingt mir Anfangs recht gut. Der eher gerade, nur leicht kurvige Teil am Anfang rollt bis zum kurzen Gegenanstieg super. Als ich an der Kreuzung zum Flexenpass in Richtung Serpentinen abbiege habe ich zunächst ein langsames Auto vor mir, aber wir einigen uns schnell und es lässt mich vor, so dass ich auch die Talstufe mit den Serpentinen genießen kann. Unten heißt es dann ein paar hundert Meter kräftig reintreten, bevor es bei der Umfahrung des Passür Tunnels wieder steil bergab geht.

Naturgemäß ist die Abfolge der Ortschaften auf der Abfahrt deutlich schneller, und ich genieße eher die Talstufen als die nur mäßig steilen Ortsdurchfahrten. Recht bald habe ich so mehr als die Hälfte der Strecke bis Bludenz zurückgelegt, als ich merke, dass mir echt ein bisschen übel ist. Die Anstrengung des Anstiegs von St. Anton hatte ich ja schon „im ganzen Körper“ gespürt, das könnten noch die Ausläufer sein, manchmal reagiert der Magen ja auf große Anstrengung. Vielleicht war auch der Kakou auf der Passhöhe nicht optimal. Keine Ahnung, der Himbeerkuchen war es auf jeden Fall nicht.

So wird der zweite Abschnitt etwas anstrengender als geplant, aber da bergab die Leistung gut zu dosieren ist, komme ich schließlich am Ortsschild in Bludenz an, und kehre dann ca. 2 Kilometer die 197 zurück nach Bings, bzw. Stallehr um in die Pension einzuchecken. Endlich duschen!

Das war ein sehr guter Radtag. Nicht ganz so emotional wie das letzte Wochenende, wo ich nach so langer Zeit mal wieder steil berghoch gefahren bin, und auch noch moralische Unterstützung von Marco hatte. Aber klasse. Die Beine haben recht gut funktioniert, der Arlbergpass von der Westseite ist der ideale Pass für meine momentane Leistungsfähigkeit, schade, dass der soweit weg ist.

Ob ich allerdings morgen besser auf die Bieler Höhe komme als vor zwei Wochen? Ich glaube eher nicht, zweistellige Steigungsprozente über 13 Kilometer, das ist eigentlich noch zu hart für mich. Mal schauen wie sich der Tag entwickelt und ob ich überhaupt hochkomme, letztes Mal waren die Beine danach so fertig, dass ich Marco trotz Panne nicht entgegen fahren konnte. Ich wäre niemals ein zweites Mal da hoch gekommen. Ein Tag mit beiden Seiten der Bieler Höhe wird es also kaum werden…

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