steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

49 Mo i Rana – Trondheim

Wetter: bewölkt, sehr windig
Tageskilometer: 68
Gesamt zurückgelegte Kilometer: 4627
Tages-Fahrzeit :3:46 h
Gesamte Fahrzeit: 229:35 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 18,1km/h
Tageshöhenmeter: 1012
Gesamt Höhenmeter: 43324
Maximalpuls: 157
Durschnittliche Pulsfrequenz: 135

Da das Hurtigrutenschiff nach Trondheim von Nesna schon um 11:15 abfährt, und das laut Karte entweder 66 oder 76 Kilometer entfernt ist (kann ich nicht genau ermitteln), gibt es ein frühes Minifrühstück und um kurz vor halb sieben sitze ich auf dem Fahrrad. Wenn es 76 Kilometer sind muss ich einen Schnitt von 20 fahren um das Schiff zu erreichen. Da ich die Hälfte der Strecke schon kenne und weiß, was für böse Berge mich erwarten, schätze ich die Chance auf 50:50.
Ich bin zweimal nach Mo i Rana reingefahren und hatte jedesmal Gegenwind, jetzt beim rausfahren auch. Ich hoffe der legt sich, weil Berge und Gegenwind und Zeitknappheit keine gute Kombi zum entspannten Radeln sind.
Die Berge aus Mo i Rana raus sind nicht mehr so schlimm wie bei der Ankunft, da ich nicht so fertig bin, sondern ja gerade erst losfahre. Nur die Knie haben das Bergwandern zum Gletscher nicht so gemocht und melden sich beide.
Und dann kommt der lange Anstieg, der vorgestern noch eine Highspeedabfahrt war. zwischen 8 und 10 Prozent Steigung über ca. 6 Kilometer, mit einer kurzen Unterbrechung, wo es nur so um die 5 % sind.
Oh, oh, wie krass ist doch der Unterschied zwischen beladenem und unbeladenem Fahrrad. Jetzt habe ich das erste mal den direkten Vergleich. schon nach zehn Kilometern habe ich meine Kleidung komplett durchgeschwitzt, und der Schnitt liegt bei 17km/h, das reicht nicht um das Schiff zu erreichen.
Die Abfahrt, wo ich wieder etwas Zeit gut machen will, ist eine Enttäuschung, denn der Gegenwind bläst mir dermaßen ins Gesicht, dass ich ordentlich treten muss um überhaupt über 20 km/h zu fahren.
Es gibt noch einige weitere ordentliche Steigungen, die Landschaft kenne ich schon von der Hinfahrt, aber diesmal zeigt sie sich von ihrer rauen Seite. Der Gegenwind wird heftiger, und ist zwischendurch stärker als auf der Etappe von Jokkmokk nach Kiruna, wo ich bis jetzt am meisten gegen den Wind zu kämpfen hatte.
An der Stelle wo ich auf der Hinfahrt den Elch gesehen hatte, halte ich Ausschau, und hoffe auf eine weitere Begegnung, aber dem ist wohl das Wetter zu schlecht.
Der Kampf gegen den Wind ist recht zermürbend, aber irgendwann erreiche ich die Kreuzung zur 17, und bald erscheint ein Schild mit der Kilometerangabe nach Nesna. Jetzt wird es spannend. Ich kann zunächst nur die 9 hinten lesen, vorne könnte eine 2 oder eine 3 stehen. 2 heißt ich habe eine Chance das Schiff zu erreichen, 3 heißt no way, dafür ist es zu windig und zu bergig.
Es ist tatsächlich eine 2. Wie gut ,noch 29 Kilometer, dass muss doch zu machen sein. Kurze Zeit später fängt ein heftiger Berg an, und der Wind peitscht mir entgegen, es ist wirklich zum verzweifeln. Was für eine Quälerei, ich fahre teilweise 7km/h, trotz heftigem Treten und unter Aufwand aller Kraft die mir zu Verfügung steht. In Worten SIEBEN.
Ich beschließe keine Pause zu machen, denn auch mit den zehn geschenkten Kilometern muss ich wohl einen Schnitt von ca. 17km/h fahren um rechtzeitig anzukommen, im Moment zeigt der Fahrradcomputer 16,6 an.
Der Wind geht mir echt an die Nerven. Ich werde dermaßen wütend, dass ich ihm meine Wut entgegenbrülle, was anderes fällt mir nicht ein. Man fühlt sich einfach so machtlos. Egal, weiterfahren, weiterfahren, weiterfahren. Das hat schon in Schweden geholfen, warum nicht hier in Norwegen.
Der Berg mündet in einen Tunnel, und auch im Tunnel geht es steil bergauf. Aber der härteste Teil kommt nach dem Tunnel, man kann es schon ein, zwei Kilometer vorher sehen, als ein Auto die Strecke entgegen kommt. Das ist doch nicht deren ernst? Ist denen beim Straßenbau das Dynamit ausgegangen? Als ich die Steigung erreiche muss ich erst mal Grinsen, die ist geradezu grotesk. Mindestens zehn Prozent. Aber irgendwie kommt mein Kampfgeist zurück, nachdem ich auf dem ersten Teil noch etwas ausgelaugt war von den Tagen vorher. Ich sage mir, dass jetzt ein Tag auf dem Schiff kommt und dann zwei Tage Trondheim, d.h. drei Tage ohne Fahrradfahren…., wenn ich das Schiff erreiche.
Am Ende der Steigung angekommen, geht es erst mal mit einer moderaten Steigung weiter und dann kommt eine kurze Abfahrt, um dann in nochmal die gleiche Zehnprozentsteigung zu münden. Logischerweise liegt der Hafen auf Meereshöhe, ich hoffe nur, dass die Abfahrt die irgendwann kommen muss auch die letzte ist und ich nicht wieder auf Null runterfahre um dann nochmal über so einen Berg zu müssen.
Irgendwann ist tatsächliche der höchste Punkt erreicht, der Schnitt liegt bei kanpp über 16. Ich gönne mir einen Fotostopp um die bei diesem Wetter etwas karg wirkenden Berge zu fotografieren, und fahre dann die Abfahrt hinunter so schnell wie es nur geht.
An den Stellen wo der Gegenwind mich nicht so recht bremsen kann, weil die Straße in die andere Richtung dreht, schaffe ich immerhin die 50km/h. Und die Abfahrt ist lang, am Ende liegt der Schnitt deutlich über 17 und ich bin mir fast sicher, dass ich dass Schiff ganz locker erreiche. Es sind noch zehn Kilometer zu fahren, da darf eigentlich nichts böses mehr kommen, denn es geht am Fjord entlang, und ich sehe keinen Berg mehr der sich mir entgegenstellen könnte.
Und tatsächlich verläuft das Streckenprofil jetzt für norwegische Verhältnisse moderat. Der Wind kommt von der Seite und kann mich nicht mehr so kräftig bremsen. Ich bin zwar ziemlich erschöpft und kann die Fahrt nicht so genießen wie einige andere “Zieleinläufe” vorher, aber egal, über eine halbe Stunde vor Abfahrt habe ich das Ziel Nesna erreicht.
Diesmal war ich vorsichtig und habe vom Hotel eine Reservierung für die Fahrt mit der Hurtigruten gemacht. Es ist auch tatsächlich ein kleines älteres Schiff, d.h. es ist ziemlich voll auf dem Schiff und es gibt nicht diese schönen Panoramadecks und Whirlpool auf dem Sonnendeck usw. Aber egal, ich freue mich auf dem leicht schaukelnden Schiff in der Cafeteria zu sitzen und zu essen und zu trinken.
Dabei treffe ich einen Radler aus Österreich, der wegen dem Gegenwind schon in Schweden die Fahrt zum Nordkapp abgebrochen hat und die meisten Etappen jetzt mit dem Zug zurücklegt. Es ist ganz nett auf dem Schiff jemanden zu haben, mit dem man sich gut unterhalten kann, man tauscht sich z.B. über das Equipment und die Erfahrungen mit Land und Leuten aus.
Auf der Fahrt nach Trondheim kommen wir übrigens am Torghatten vorbei, dem Berg mit dem Loch. In dieser Gegend waren im Mittelalter auch bedeutende Siedlungen und ein Machtzentrum Skandinaviens.
Nach einer Nacht auf einem riesigen bequemen Ledersofa in der Lounge kommen wir morgens früh in Trondheim an.

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