steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

31 Olderfjord – Nordkap

Wetter: bewölkt zeitweise etwas Sonne
Tageskilometer: 144
Gesamt zurückgelegte Kilometer: 3347
Tages-Fahrzeit :7:15 h
Gesamte Fahrzeit: 168:22 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 19,8km/h
Tageshöhenmeter: 2600
Gesamt Höhenmeter: 28701
Maximalpuls: 171
Durschnittliche Pulsfrequenz: 124

Diese Zeilen schreibe ich auf 71°10’21“ nördl. Breite und 25°47’40“ östl. Länge. Es ist geschafft, das Nordkap ist erreicht. Ich habe tatsächlich meinen Computer über 3300 Kilometer mit dem Fahrrad ans Nordkap geschleift. Hoffentlich fragt mich nie jemand warum…

Ich sitze hier im warmen, gestärkt vom Buffet, und schaue aus dem Fenster auf die ca. 50m von mir entfernte Weltkugel, das Symbol des Kaps. Ich fühle mich unglaublich. Noch vor einer Stunde habe ich mich eher wie ein verendendes Rentier gefühlt.
Heute morgen führte die Strecke erst mal weiter am Porsangerfjord entlang. Der Wind stand günstig, das Höhenprofil eher flach, der Magen schien sich beruhigt zu haben und ein gutes Frühstück gab’s auch.
Die ersten 70 Kilometer rollen super, allerdings gibt’s zu Mittag nur zwei Energieriegel, weil es einfach nichts gibt auf dem Weg. Der erste Tunnel ist spannend, und es ist ein seltsames Gefühl ohne die Geborgenheit eines Autos durch den Berg zu fahren. Außerdem ist es sehr kalt. Es geht auch im Tunnel etwas bergauf, aber alles in Maßen.

Die Landschaft ist herrlich, es gibt jetzt deutlich mehr Berge, und die Felsen fallen zum Teil steil zum Fjord hinab ab. Die Straßenführung ist fantastisch, ich könnte die Fahrt durch ständige Fotostops unterbrechen, mach ich aber nicht, sondern genieße die Vorfreude,auf das nahende Ziel.

Unterwegs treffe ich Radler aus Holland, wir plaudern kurz, dann mache ich mich am Berg davon.

Schließlich kommt der Tunnel der unter dem Sund hindurchführt. Ein anderer Radler hatte mir schon erzählt, dass es dort sehr kalt ist, und man mit einer steilen Steigung bei der Ausfahrt rechnen muss. Klingt logisch, schließlich fährt man fast 250m unter dem Meeresspiegel unter dem Wasser hindurch.

Der Eingang ist recht unscheinbar, alles wie bei den anderen Tunneln, nur ein Warnschild für die Autos wegen der Steigung (9%) und der Hinweis auf die folgende Maustation unterscheiden den Eingang von den vorherigen Tunneln.

Es geht zunächst steil bergab, und als ich realisiere wie schnell schwant mir böses. Und es kommt wirklich dick, es ist kalt, dunkel und nach einem Kilometer mit dieser heftigen Steigung lassen langsam die Kräfte nach, das erste mal auf dieser Tour überhaupt. Es ist echte Quälerei, und ich kann nur allen Radfahrern empfehlen, spart euch den Tunnel und nehmt den Bus. Es ist unglaublich, im ersten Gang schleppe ich mich den Berg hoch, die Autos hören sich an wie herannahend Züge, und nach einer kurzen Verschnaufpause in einer Haltebucht, komme ich nicht richtig ins Klickpedal, und sehe im dunkeln den Bordstein nicht, so dass ich mich richtig hinlege. Zwar ist nix passiert, aber in dem Schummerlicht sehe ich nicht, dass sich eine Packtasche gelöst hat, und führe das daraus folgende abenteuerliche Fahrverhalten auf meine Erschöpfung zurück. Der Tunnel hört und hört nicht auf, der erste Gang ist mittlerweile viel zu groß, es ist eiskalt, die Autos fahren vorbei und ich habe mühe das Fahrrad einigermaßen gerade zu halten.

Anders wie an der Höga Kusten ist mir nicht nach Schreien oder Fluchen zumute, ich bin viel zu schlapp dafür, ich will nur noch hier raus, also einfach kämpfen, jeder Tunnel MUSS irgendwann aufhören.
Und tatsächlich ist es irgendwann soweit. Die Sonne blendet und ich bin dankbar dafür, und stehe in der Schlange der Mautstation. Als Fahrradfahrer wird man einfach durchgewunken. Ich fahre noch ein paar Meter, merke aber dass ich komplett am Ende bin und da tatsächlich heute die Sonne scheint, und sich ein idyllisches Paradies mit herrlichen Buchten auftut, setze ich mich einfach an den Straßenrand und atme erst mal durch. Von weitem kann ich schon den nächsten Tunnel sehen, aber ich habe keine Lust auf mehr auf Tunnel. Schließlich mache ich mich doch wenn auch schleppend auf den Weg nach Honningsvåg.
Dort angekommen gibt es erst mal ordentlich was zu Essen. Im Cafe treffe ich ein paar Radler aus der Schweiz und aus Deutschland, und wie die Holländer vorher, wollen die erst in Honningsvåg übernachten und dann morgen ans Kap. Mir ist völlig unklar warum nicht noch die gut 30 Kilometerchen?, es ist irgendwas um 16:00 Uhr, wenn’s schlecht läuft zwei Stunden, da muss man nur noch einen Moment warten auf die Mitternachtssonne auf die alle so scharf sind. (Ich persönlich finde es wäre schon gut wenn dort überhaupt die Sonne scheint.
Wie auch immer nach dem Essen nehme ich die letzen Kilometer bis zum Ziel in Angriff, allerdings macht sich mein Magen wieder bemerkbar, und schnell kapiere ich, das jetzt der härteste Teil der Strecke anfängt.

Es geht los mit einer lässigen mehrere Kilometer langen 9% Steigung, mir ist schlecht und ich bin noch schlapp von der Tunneltortur, so dass ich den Berg hoch krieche. Ich hoffe nur, dass ich nicht bis zum Kap erst wieder bergrunter muss, sondern auf dem erreichten Niveau oben weiterfahren kann.

Diese Hoffnung wird schnell enttäuscht. Es geht nach mehrmaligem auf und ab wieder runter bis auf Meeresspiegelniveau. Mir geht es wirklich elend, die Magen/Darm Geschichte nimmt mir mindestens einen Gang, und nach 4 Kilometern 9% oder was auch immer für eine Steigung, ist der erste schon zu groß. Wenn’s ’ne ordentliche Übernachtungsmöglichkeit gäbe würde ich mich jetzt einfach ins Bett legen. Gibt es aber nicht, jedenfall nicht näher als das Kap selbst.

Die längste Steigung ist schlicht grotesk, Sanne davon hast du mir nichts erzählt! Es gibt keinen vernünftigen Grund diesen Weg mit dem Fahrrad zu fahren, und weil ich so langsam fahre habe ich viel Zeit darüber nachzudenken und einen zu finden. Das Zwicken im Bauch hat den Vorteil, dass ich über irgendwelche Wehwehchen im Knie gar nicht erst nachdenken kann. Ich mache zwei 10 Minuten Pausen und ackere mich den Berg hoch, dann gibt’s natürlich eine Abfahrt, damit man ja wieder bergauf fahren kann und zwar richtig steil.

Irgendwann sehe ich eine Kuppel auf dem Berg, und denke schon das ist das Kap, und ich habe die letzte Steigung vor mir. Stimmt aber nicht, eine gibt’s noch. Mittlerweile tut nix mehr weh und mir ist auch nicht mehr schlecht, ich bin einfach nur platt.

Aber das Ziel kommt in Sicht und es ist nicht zu glauben aber ich stehe tatsächlich in der Schlange für den Nordkapeintritt. Weil ich zu schlapp bin aus dem rechten Klickpedal rauszukommen, dass mittlerweile recht schwer geht (wollte ich nicht schon gestern danach schauen?) lege ich mich nochmal ordentlich hin, und werde dann auch hier durchgewunken. Noch ca. 50m über ein bisschen Schotter, dann sehe ich die verdammte Weltkugel! Es sind gerade nicht so viele Leute da, ich stelle mein Fahrrad vor das Ding, drücke irgendjemand die Kamera in die Hand, und mache mein “Siegerfoto”.

Ich könnte heulen so gut ist das. Nach gut 3300 Kilometern (und keiner davon war geschenkt), einem Monat mit fast 170 Stunden auf dem Fahrrad ist das Ziel erreicht. Die Knie haben durchgehalten, das Material hat nicht gemuckt “I am totally excited”. Was für ein gutes Gefühl, das ist noch besser wie das Elfmeterschießen im Stadion in Berlin gegen Argentinien letztes Jahr…
Das Buffet hier ist übrigens sehr lecker, ich esse als wäre nichts gewesen, allerdings in Mengen die jeder Beschreibung spotten, ich muss ja schließlich irgendwie wieder zurückkommen.

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9 Kommentare

  1. Maj-Britt 2. Juli 2007

    Hi Guido!
    Wie – du bist schon da??? Glückwunsch!!! Dann mal viel Spaß am Nordkap und liebe Grüße aus Giessen!

  2. Sanne 2. Juli 2007

    Hi Guido,
    Herzlichen Glückwunsch!!! Das ist echt eine ganz tolle Leistung! Übrigens, es gibt überhaupt gar keinen vernünftigen Grund mit dem Fahrrad ans Nordkap zu fahren – also ist die letzte Steigung auch egal!!! Viel Spaß noch, Sanne

  3. Peter 2. Juli 2007

    Guido,
    von uns allen Herzlichen Glückwunsch! (Auch und besonders von Paul!) Wir freuen uns sehr mit Dir daß Du Dein Ziel erreicht hast. Bleib gesund, und genieße den Norden.

    PATJ + P

  4. Maj-Britt 3. Juli 2007

    Buon giorno Guido!
    Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! So ein Geburtstag am Nordkap ist ja mal was ganz anderes… Hab einen schönen Tag! Liebe Grüße!

  5. Guido 3. Juli 2007

    Oh heute ist ja mein Geburtstag?! Danke Maj-Britt, dass du mich daran erinnert hast, ich glaube ich hätte das glatt vergessen.

    Bin jetzt in Alta und werde mir gleich die alten Felszeichnungen anschauen, heute Abend gibt’s dann noch ein Posting.

    Danke für die netten und aufmunternden Kommentare!

  6. Bruno 3. Juli 2007

    Moin, Guido,
    herzlichen Glückwunsch zum Nordkap-Erreichen – eine tolle Leistung und wahrscheinlich eine der großen Erfahrungen, die man nur wenige Male im Leben machen darf – und natürlich: herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und weiterhin alles Gute! Auch ich habe deine Fahrt verfolgt… Nun kannst du dir sicher vorstellen, warum ich immer wieder von meiner Zeit als Goldgräber in Lappland erzähle… Pass‘ weiter gut auf dich auf – viel Spaß naoch – bis dann… Bruno

  7. Peter 3. Juli 2007

    Guido!

    von uns allen auch alles Gute zum Geburtstag!

    PATJ

  8. Maj-Britt 3. Juli 2007

    Servus Guido,

    alles Liebe von Carin und Domo zu Deinem Geburtstag. Viel Spaß und Kondition und wenn Du wieder da bist, freuen wir uns auf ein mitgebrachtes „Dosenöl“

  9. Sanne 3. Juli 2007

    Hallo Guido,

    auch von mir Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und weiterhin gute fahrt…… ab jetzt gibt es richtige Berge :-))

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