steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

Trainingslager Rhön/Glockner Tag 8

Heute morgen bin ich früh wach, nachdem ich gestern doch ganz ordentlich platt war von der Auffahrt. Kälte und Regen nimmt einem immer noch einmal ein paar extra Körner. Der Ruhepuls ist ok, die Beine fühlen sich so mittel, der Kopf ist auch ok.

Der Wetterbericht hat wechselhaftes Wetter mit Schauern und Gewitterschauern vorhergesagt. Ich entscheide mich für lange Hosen, aber Trikot. Die Regenjacke ziehe ich aber schon an, lasse sie nur offen, denn ab 2000 Meter wird’s kalt und bei 12% freihändig die Jacke aus dem Trikot kramen und anziehen das wird nix. Und stehenbleiben will ich natürlich auch nicht.

Zunächst aber regnet es nicht. Die Straße ist zwar nass, aber es ist sogar recht warm. Wobei die Regenjacke, der es doch etwas an Atmungsaktivität mangelt, das ihre dazu tut.

Die ersten flachen Kilometer bis Fusch gehen so, aber ich merke schon, dass ich mit ca. 180 bis 200 Watt gut bedient bin. Das wird in der Steigung nachher ja spaßig. Immerhin habe ich die R-SYS SL Laufräder drauf. Die sind deutlich leichter als die alten Aksium gestern, und auch die schwere Tiagra Kassette mit dem 30er Ritzel habe ich getauscht gegen die deutlich leichtere SRAM XX mit dem 32er. Das spart an den Laufrädern ein Kilo Gewicht, das ist wirklich enorm.

Als es dann in die Steigung geht bin ich für die 2 Zähne mehr doch dankbar, denn so kann ich bei gleicher Leistung mit etwas höherer Trittfrequenz fahren als gestern. Das es bis zur Mautstation geht daran zweifle ich natürlich nicht, aber ob ich bis zum Hochtor komme? Schaun mer mal.

Schnell wird es mir sehr warm. Noch immer ist nur die Straße nass, und es lugt sogar die Sonne mal ganz kurz durch die Wolken. Ich ärgere mich, dass ich die Regenjacke schon angezogen habe.

An der Baustelle ist die Ampel grün, so dass ich durchfahren kann, und auch wenn es an den steileren Stücken schon recht anstrengend ist, erreiche ich die Mautstation in ungefähr der gleichen Zeit wie gestern.

Die Schleuse muss ich diesmal fotografieren. Da man dort einen Knopf drücken muss, ich aber nicht stehenbleiben will, hangle ich mich fließend am Geländer während ich drücke. Da steht aber noch das Wasser drauf, so dass meine Handschuhe komplett nass sind, obwohl es ja gar nicht regnet. Ich ärgere mich so über dieses Schwachsinnskonstrukt, dass ich beschließe außer dem Glocknerkönig so schnell nicht mehr hier zu fahren. Ich war eh oft genug hier. Was denken die eigentlich, dass hier hunderte von Radfahrern schlangestehen, und die einzeln auf die Straße gesiebt werden müssen? Ich fahre lieber da, wo Radfahrer nicht als Störfaktor für die motorisierten Fahrzeuge empfunden werden. Und wo ich gerade am meckern bin: Diese Schilder mit dem Nebeneinanderfahrverbot für Radfahrer kann auch nur ein Theoretiker ohne Ahnung aufgestellt haben. An so einem Monster Berg fährt jeder seinen eigenen Rhythmus, so dass es nur ganz selten vorkommt, dass zwei Radfahrer überhaupt dasselbe Tempo haben. Und von denen fahren sicher auch nur wenige nebeneinander wenn da Autos kommen. Also was soll das?

Ich merke halt schon auch, dass es der letzte Tag des „Trainingslagers“ ist, so dass ich sehr grantelig werde. Ich fahre momentan am Limit. Das erste lange 12% Stück nach der Mautstation geht zwar, aber ich fühle mich nicht gerade frisch.

So kurbele ich die Glocknerstraße hoch und freue mich auf die erste Kehre, wo ich mich endlich für ein paar Sekunden erholen kann. Ich muss wirklich kämpfen, aber dafür dass ich gestern schon nicht so richtig gut Treppensteigen konnte geht’s noch… alles eine Frage der Sichtweise.

Dann sehe ich zwei Rennradler vor mir. Heute bin ich wenigstens nicht allein am Berg. Die fahren aber sehr seltsam. Unter Ausnutzung der gesamten Straßenbreite, wohl um die Steigung abzumildern, leiern die von einer Seite zur anderen. Und sind dabei extrem langsam. So werdet ihr am Ende noch von einem Mountainbiker überholt!

Ich fahre vorbei, und obwohl ich keine guten Beine habe rase ich förmlich an den beiden vorbei. Dabei grüße ich das Pärchen freundlich und versuche so auszusehen, als ob es mir gut geht und alles ganz locker geht.

Dabei bin ich wirklich dankbar, dass die erste Kehre endlich da ist, ein paar Meter zum erholen. Es fällt mir schwer um 300 Watt zu treten, meist sind es um 270, 280 Watt. Die Trittfrequenz liegt um 70, wenn sich die Gelegenheit bietet geht es auch mal Richtung 80.

So kämpfe ich mich von Kehre zu Kehre. An den Abschnitten über 10% muss ich wirklich ordentlich kämpfen, aber ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich es nicht schaffe bis zum Fuscher Tor. Hart ist wie immer der Abschnitt am unteren Nassfeld. Ein sehr langer Abschnitt mit ziemlich konstant 12% und wie gestern auch kaltem Gegenwind.

Außerdem fängt es gerade an zu Regnen, zunächst noch recht leicht. Jetzt bin ich doch froh, dass ich meiner Erfahrung vertraut habe und die Regenjacke schon angezogen hatte.

Je höher ich komme, desto mehr fängt es an zu Regnen. Außerdem bläst ein kalter böiger Wind. Ab dem oberen Nassfeld kämpfe ich echt um wenigstens 250 Watt zu treten, was nicht immer gelingt, manchmal sind es auch nur 220 Watt. Dabei trage ich jetzt wohl noch so ca. 2kg Wasser mit mir, denn mittlerweile ist alles komplett durchnässt. Fast alles, denn erstaunlicherweise sind die Füße noch einigermaßen trocken und warm, die Überschuhe haben sich echt bewährt.

Bei Kilometer 26,5 kann man sich ein paar Meter bei knapp 4% erholen, dann geht es in den etwa 200 Meter langen 12% Stich bis zur Abzweigung Edelweißspitze. Nachdem ich mich da hoch gekämpft habe beschließe ich, dass es schlau ist am Fuschertörl umzudrehen und wieder abzufahren. Denn während ich mich die letzte Rampe zum Tor hochkämpfe schüttet es wie aus Eimern und außerdem blitzt und donnert es. Gewitter! Oben steht ein Radfahrer, der sein Rad im Tor untergestellt hat und filmt mich. Es stellt sich heraus, dass er dachte ich sei sein Kumpel auf den er wartet. Wo der allerdings her kommen soll ist mir unklar, denn außer den beiden Zickzack Radlern habe ich niemand gesehen.

Und ohne das mein Verstand was machen kann ziehe ich durch in die kleine Zwischenabfahrt. Ich vergesse sogar die Runde abzudrücken. Ich mache die Bremse hinten zu, denn da sich offenbar der Zug durch die Kälte verkürzt hat, hatte die Bremse geschliffen, so dass ich die Hinterradbremse im Anstieg aufmachen musste (Zusatzwiderstand brauch ich heute wirklich keinen).

Es donnert, es regnet in Strömen, mittlerweile sind auch die Füße nass, es ist so gut 1° kalt, durch die Brille sehe ich nicht mehr viel, und trotzdem will ich bis zum Hochtor fahren. Ist halt so.

Ich freue mich als die Zwischenabfahrt beendet ist und ich wieder berghoch fahren kann, so habe ich die Chance mich etwas aufzuwärmen. Ich weiß nicht ob es klug ist wegen dem Gewitter, aber es scheint nicht gerade direkt über mir zu sein, so wie am Stilfser Joch letztes Jahr, außerdem ist man hier nicht so exponiert der höchste Punkt, die Straße liegt ja mehr im Berg.

Die letzten Kilometer sind schon hart. Ich weiß zwar, dass ich bis zum Hochtor komme und da ggf. einkehren kann, denn seit letztem Jahr ist dort ja ein Restaurant und Shop, aber gute Beine und gute Bedingungen sind was anderes. Kurz erscheinen mir die Bilder vom letzten Jahr, als wir ungefähr zu gleichen Zeit echtes Kaiserwetter hatten. Das hier ist nicht mal Fritz Walter Wetter. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich schon mal bei der Auffahrt an die Dusche im Hotel gedacht habe, aber jetzt ist das so.

Nachdem die zwei 14% Abschnitte überwunden sind ist das Hochtor endlich erreicht. An manchen stellen hat mir der Wind auch ein bisschen geholfen. Ich mache das Passschildfoto mit Selbstauslöser und schwinge mich gleich wieder auf’s Rad. In komplett durchnässten Klamotten jetzt hier oben einen Cafe zu trinken macht keinen Sinn. Ich will nur zurück ins Hotel unter die Dusche.

Schon im Hochtor peitscht mir der kalte Wind entgegen, und noch immer regnet es heftig. Auf den Straßen läuft das Wasser. Füße und Hände werden elend kalt in der Abfahrt. Dabei habe ich mir über die nassen Handschuhe noch ein paar Überhandschuhe angezogen. Nutzt aber recht wenig.

Natürlich kann ich auch heute nicht sehr schnell bergrunter fahren. Die Hände sind ständig an der Bremse. So friere ich mich bei 0,2° C und heftigem Regen hinunter bis zur Fuscher Lacke und dem Gegenanstieg.

Zwar freue ich mich darauf, dass es berghoch etwas wärmer wird, aber der Gegenanstieg ist diesmal elend anstrengend. Ich kann noch so 220 Watt treten, viel mehr wird es selten. So krieche ich hoch, erneut zum Fuscher Tor. Und als es in die Abfahrt geht zucke ich nicht mal an der Abzweigung zur Edelweißspitze.

Ich bin platt, trainingstechnisch macht es keinen Sinn da jetzt noch was drauf zu setzen, außerdem bin ich komplett durchnässt und kalt.

So fahre ich hinunter, die Hände tun mir schon weh vom vielen Bremsen, außerdem sind sie sehr kalt. Fotos mache ich keine mehr, ich will nur noch unten ankommen. Am Nassfeld treffe ich die zwei Zickzack Radler wieder, das Mädel fragt wie lange es ist bis oben. Ich lüge frech „ihr seid gleich oben“ ich denke mal das war die psychologisch richtige Entscheidung…

Die Abfahrt zieht sich elend lang. Aber dafür steigt die Temperatur etwas. Während es im ersten Teil vom Hochtor bis zum Fuscher Tor noch knapp über 0° C waren, steigt die Temperatur in Richung Mautstation immerhin auf gut 7° C

Ab der Mautstation kann man wenigstens ein bisschen treten, allerdings wird der Regen jetzt noch heftiger, der Himmel entlädt sich mit allem was er hat. In meinem Kopf ist nur noch die warme Dusche.

An der Baustelle ist diesmal rot. Ich halte hinter einem Auto und nutze die Gelegenheit die Hinterradbremse etwas nachzustellen. Die Bremsen habe ich heute bei diesen Bedingungen fast komplett weggefräst. Da es so dermaßen schüttet fahre ich einfach bei rot an dem Auto vorbei. Man kann die Baustelle einigermaßen einsehen, und so ist das kein Problem.

Die letzten 10 Kilometer ziehen sich elend lang. Die Beine machen noch so ca. 190 bis 210 Watt in dem jetzt recht flachen Teil, so dass ich eigentlich ganz schön ausfahren kann. Und irgendwann ist auch diese Strecke zu Ende. Endlich. Bruck ist erreicht, das Hotel, die Dusche.

Die Hände tun ein bisschen weh, und irgendwann werde ich dafür nochmal bezahlen, aber jetzt wärme ich mich erst mal im Bett auf und gönne mir eine Stunde Mittagsschlaf. Dann geht es mit dem Auto hoch auf die Edelweißspitze zum Blog schreiben. Diesmal nicht mit Kaiserschmarrn, aber mit Germknödel. Das Leben ist schön…

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