Heute morgen wache ich etwas zerknautscht auf. Leider habe ich nur knapp vier Stunden geschlafen. Die leicht erhöhte Temperatur ist wieder normal, der Ruhepuls mindestens 5 Schläge zu hoch. Könnte auch an den über 3500 Höhenmetern von gestern liegen…
Für heute habe ich als erstes die Auffahrt von Thüringen über den Thüringerberg hinauf auf’s Faschinajoch geplant. Das Faschinajoch startet auf der Südwestseite offiziell in Garsella, allerdings kann man als Radfahrer kaum mit dem Hubschrauber dorthin fliegen, so dass man über einen von zwei „Vorpässen“ fahren muss.
Die eine Variante ist die Strecke über Raggal, die andere über Thüringerberg. Nachdem uns der Anstieg über Thüringerberg beim Race Around Austria in der Nacht unendlich lange und teils brutal steil vorkam, will ich unbedingt ausprobieren wie sich der Anstieg fährt.
Zum Glück habe ich keine Anfahrt von 1800 Kilometern wie Tina im August, sondern von Feldkirch bis Thüringen sind es keine 20 Kilometer. Genau richtig um sich etwas warmzufahren ohne sich schon vorher kaputt zu machen. Denn die Strecke führt recht flach von Feldkirch bis Nenzing auf der Bundesstraße 190, und dann noch durch ein paar kleine Orte bis Bludesch und schließlich Thüringen.
Ich drücke die Runde für den Anstieg am Abzweig in Richtung Thüringerberg ab, und nach ein paar flachen Metern klappt die Straße gleich ordentlich nach oben. Schnell sind die Steigungsprozente zweistellig, auch wenn es anfangs sogar Serpentinen gibt.
Aber dann ist die Straßenführung genau so wie ich sie in Erinnerung habe: Ohne Serpentinen mit meist leichten, manchmal deutlicheren Kurven führt die Straße steil nach oben. Steil heißt zwischen 11 und nicht selten 14%.
Zum Glück fühle ich mich heute etwas besser als gestern, so dass ich halbwegs normale Leistungswerte auf dem Radcomputer sehe. Trotz der Steilheit kann ich beim Wiegetritt hochschalten, ich fühle mich so frisch wie es am Anfang einer Tour sein sollte. Also hoffentlich den Infekt „rausgefahren“.
Die Steigung zieht sich zwar, aber es wirkt nicht so brutal wie beim RAA, einerseits weil ich jetzt am Tag mehr sehe, und andererseits weil ich das Schlimmste erwarte, sich das ganze aber doch im Rahmen hält.
Die Steigung ist aber schon hart. Eigentlich fühlt sich das ähnlich an wie wenn man in Sölden die Gletscherstraße hinauf zum Rettenbachferner fährt. Man denkt immer die Steigung könnte doch mal einen Hauch nachlassen, so dass man etwas verschnaufen kann, aber die bleibt immer bei 13% ohne Gnade. Allerdings kommen dann tatsächlich Stellen wo man sich bei 9% etwas erholen kann. Und dann ist auch schon das Ortschild Thüringerberg erreicht.
Auch im Ort geht es noch steilberghoch, aber wenn ich mich recht entsinne, flacht die Strecke nach dem Ort erst mal ab. Vier Kilometer bin ich jetzt berghoch gefahren, das war alles? Ein Monster sieht dann doch anders aus.
Nach dem Abzweig in Richtung Feldkirch, denn ich gestern in der Abfahrt gefahren bin, und heute links liegen lasse, flacht die Straße erst mal ab. Sie führt jetzt schön am Hang entlang, mit herrlichen Aussichten nach rechts ins Walsertal. So fahre ich eine ganze Weile und kann mich kaum satt sehen an dem schönen Ausblick.
Ich erreiche St. Gerold, bei moderater Steigung, und schließlich Blons. Hinter Blons geht es dann erst mal bergab. Gestern mit Krämpfen war dieser Anstieg nicht so spaßig, heute, in die andere Richtung, macht es Spaß zu fahren, zumal sich die Routenwahl mit dem Anstieg über Thüringerberg als weniger heftig erwiesen hat als befürchtet.
Dann erreiche ich Garsella. Hier treffen die beiden Auffahrtsvarianten zusammen, und ab hier beginnt der Aufstieg zum Faschinajoch. Das Faschinajoch bietet einige längere, steile Passagen, so dass in Summe mit dem „Vorpass“ schon eine ordentliche Herausforderung auf denn Radfahrer wartet. Mal schauen wie ich hochkomme.
Zunächst geht es noch ein paar hundert Meter eher flach dahin, dann klappt die Straße nach oben. Und sie bleibt dann ordentlich steil im zweistelligen Bereich. Mittlerweile empfinde ich es als recht warm, dabei bleibt die Temperatur heute eher moderat.
Ich erreiche Sonntag, der Ortsname passt heute sogar zum Wochentag… Auch hier geht es weiter recht steil bergauf. Nach wie vor bieten sich immer wieder schöne Blicke ins Tal. Nur der doch stoßweise heftige Ausflugsverkehr nervt etwas. Und auch hinter Sonntag geht es weiter steil berghoch, es folgen einige, teils freistehende Serpentinen, aber die Straße bleibt steil.
Ich arbeite mich weiter nach oben, die Beine funktionieren ganz gut, es fühlt sich mittlerweile aber nicht mehr so locker an, ich merke doch, dass mir ein paar Prozentpunkte fehlen (zu meiner eh nicht sonderlich guten Form). Ich erreiche aber die Grenze von Sonntag zu Fontanella, gedanklich arbeite ich mich etwas an den interessanten Ortsnamen ab…
In Fontanella ist Mühlenfest, auch hier viel Verkehr, viele Leute unterwegs, diesmal eine willkommene Abwechslung. Nach einer Serpentine gibt es 200 flache Meter, ich kann mich etwas erholen. Dann zieht die Steigung aber wieder an. So langsam käme mir die Passhöhe gelegen, bin ziemlich am Kämpfen. Aber immer noch kann ich in der 11% Steigung beim Wiegetritt hochschalten. Auch die Abschnitte an denen der Radcomputer 15% anzeigt bekommen die Beine geregelt. Mein Kopf hat allerdings eine kleine Schwächephase, ich fühle mich ziemlich platt.
Kurve um Kurve geht es steilberghoch, dann aber der erste Blick auf Faschina. Noch ist ein ganzes Stück zu fahren, aber immerhin ist ein Ende in Sicht. Die Steigung liegt bei 13%, das nahende Ziel motiviert aber. Und dann ist endlich der Stutztobel Tunnel erreicht. An den kann ich mich noch erinnern. Auch im Tunnel bleibt es steil, und danach erst recht.
Jetzt kann ich aber das Ortsschild von Faschina sehen. Noch eine Serpentine und dann nochmal eine steile Gerade, komm, das geht jetzt auch noch. Die Straße bleibt auch nach der Serpentine zweistellig steil, aber dann, kurz vor dem Passschild flacht die Straße ab, und ich rolle zu meinem wichtigsten Ziel für dieses Wochenend.
Der Anstieg zum Faschinajoch über Thüringerberg ist geschafft. Cool. Ich mache das Passschildfoto, fülle am Brunnen meine Flasche auf und checke nochmal kurz, wie schwer das Furkajoch von der Ostseite, also von Au aus, zu fahren ist. Kurz überlege ich, ob es mir reicht, da ich nicht so ganz bei 100% bin, aber diesen Anstieg sollte ich dann doch noch bewältigen, zumal der schwierigste Teil gleich am Anfang liegt.
Also fahre ich die Abfahrt hinunter nach Au. Ich mache keine Fotostopps. Das Fahrrad fährt einfach super, einzig ein Wohnmobil hält mich etwas auf. Da ich nicht gefahrlos überholen kann, halte ich an, ziehe gemütlich meine Jacke aus, und lasse dem Ding etwas Vorsprung, so kann ich entspannt nach Au rollen und dort einen Kaffee trinken und etwas Carboloading betreiben…
Nach einer halben Stunde fühle ich mich bereit für den nächsten Anstieg. Am Ortsschild Au drücke ich die Runde ab. Bis Damüls ist die Strecke deckungsgleich mit dem Anstieg zum Faschinajoch den ich gestern gefahren bin, mein Ziel ist aber die Passhöhe des Furkajochs, die Strecke ist also ca. vier Kilometer länger.
D.h. natürlich, dass ich auch heute wieder die zwei harten Kilometer am Anfang, mit der fast dauerhaften 14% Steigung fahren muss. Heute lässt sich das aber gleich besser an. Trotzdem ist das schon hart. Da ich aber weiß, dass es nur zwei Kilometer sind, komme ich mental diesmal gut damit zurecht. Die Temperatur ist ok, etwas weniger warm als erwartet.
So erreiche ich bald den folgenden, flacheren Abschnitt. Ich hoffe mir ergeht es besser als gestern, und es fühlt sich auch direkt besser an. Gestern habe ich mich in den flachen Abschnitten eher dahin geschleppt, heute gebe ich zwar nicht ohne Ende Gas, kann aber halbwegs vernünftige Leistungswerte treten. In Vorbereitung auf das was noch kommt nehme ich ein weiteres von Tinas Gels. Andere Geschmacksrichtung, schmeckt aber fast genauso schrecklich…
Die flache Passage ist kürzer als gehofft hatte, und bald zieht die Steigung wieder an. Auch hier wieder stoßweise heftiger Verkehr. Macht mir aber nichts aus. Und so arbeite ich mich solide weiter nach oben. Ich bin aber schon froh, dass mir die 1:1 Übersetzung mit dem 34er Ritzel zur Verfügung steht, denn eigentlich bin ich vom Gewicht und Trainingszustand her nicht bergtauglich. Aber den Anstieg heute morgen, den musste ich unbedingt dieses Jahr noch fahren…
Ich zähle die Kilometer runter, aber es geht ganz schön langsam voran. Dennoch nähere ich mich Damüls. Ich kann schon die Lawinengallerie zum Faschinajoch sehen, da wo ich gestern zweimal die Beine „entkrampfen“ musste, und dann doch mit Krämpfen hochgefahren bin…
In Damüls gibt es ein paar flache Meter. Dann erreiche ich die Brücke vor der sich der Anstieg teilt. Links geht es zum Faschinajoch, rechts zum Furkajoch. Letzte Chance den kürzeren Rückweg zu nehmen.. Ich biege rechts ab zum Furkajoch.
Zunächst gibt es noch ein paar hundert Meter recht flache Straße, dann erreiche ich eine Häusergruppe an einer Serpentine und die Straße klappt nach oben. Fast gerade geht es steilberghoch. In Gedanken beschließe ich an die Ostsee zu ziehen und nur noch Elektrorad zu fahren…
Aber die Beine funktionieren eigentlich immer noch ganz gut. Auch der Kopf hat sich erholt. Nach wie vor kann ich auch in den steilen Abschnitten beim Wiegetritt hochschalten, d.h. ich habe noch einen Hauch Reserve.
Recht lange geht es ohne Serpentine steilberghoch, dann kommt endlich mal eine Serpentine. Ich fahre sie etwas außen (auf meiner Straßenseite) an, ein Motorradfahrer, der mich in der Serpentine, bei völlig freier Straße, überholt, mault mich an. Ich Grüße ihn freundlich zurück, und rufe ihm das höflichste Wort nach, das mir gerade einfällt… Hoffentlich sehen wir uns nochmal auf der Passhöhe. Oder hoffentlich nicht, die Motorradfahrer sind da schon immer deutlich in der Überzahl…
Trotz Serpentinen bleibt es steil, und der Weg zur Passhöhe ist auch noch ganz schön weit. Ich verlasse Damüls, das ganz schön weit über den Berg und an der Passstraße entlang verteilt ist. Es geht weiter steilberghoch, aber dann flacht die Straße endlich etwas ab. Und man kann tatsächlich schon die Passhöhe sehen. Von hier sieht es gar nicht so aus, als ob es noch fast 7 Kilometer zu fahren sind, aber der Radcomputer lügt nicht.
Ab hier wird die Straße nicht mehr heftig steil, die Steigung schwankt zwischen modertat und ein bisschen steil. So komme ich ganz gut vorwärts. Die Temperatur liegt bei deutlich unter zwanzig Grad, dabei hatte ich schon befürchtet heute wieder in der Hitze zu leiden. Aber das bleibt mir erspart.
Immer wieder scheint man dem Schlussanstieg nahe zu sein, aber nach der nächsten Kurve öffnet sich nur die Sicht auf einen neuen Abschnitt mit noch mehr Straße…
Ein Rennradler überholt mich. Der erste den ich hier sehe. Kurz hänge ich mich etwas dran, denn da die Strecke nicht so steil ist, könnte man von Windschatten gut profitieren.
Aber lange bleibe ich nicht dran. Ich will nur normal hochkommen, ohne Blick auf die Zeit, die ist eh nicht gut. Nachdem wie es mir gestern ging, will ich mich jetzt nicht auf den letzten Kilometern abschießen.
Wieder denke ich der Schlussanstieg kommt, nochmal habe ich mich getäuscht. Dann aber ist es soweit, der letzte Kilometer. Jetzt weiß ich, dass ich gut oben ankomme. Das setzt nochmal eine paar Kräfte frei, und dann ist es nach 1:20 h geschafft. Und ich habe auch die Ostanfahrt zum Furkajoch gemeistert.
Natürlich gibt es ein Passschildfoto, außerdem einen Milchkaffee, dann stürze ich mich in die Abfahrt. Die ist schön zu fahren. Da ich gestern hier hoch gefahren bin, kenne ich sie auch noch ganz gut. Nach steiler aber breiter Straße kommt zunächst ein flacher Abschnitt, und dann eine längere sehr steile und enge Passage mit nicht ganz so gutem Straßenbelag.
Danach kommt dann der recht lange, flache Abschnitt an dem die Beine nochmal etwas treten dürfen. Gestern war mir jeder Meter am Schluss zuviel, heute fühlt sich das gut an, und es tut sogar ganz gut nochmal etwas flache Kilometer zum Ausfahren zu haben. Dann folgt der steilere Schlussabschnitt und bald nach Tunnel und Lawinengallerie habe ich Zwischenwasser erreicht und schließlich Rankweil. Eine sehr schöne Abfahrt.
Ich rolle noch nach Feldkirch zum Hotel und dann ist ein schöner Radtag zu Ende. Diesmal bin ich nicht so zerstört wie gestern. Liegt zum einen natürlich daran, dass ich nur zwei, nicht drei Passauffahrten gemacht habe, zum Anderen habe ich den leichten Infekt wohl „rausgefahren“.
Fehlt nur noch die zweite Variante des Faschinajochs mit der Auffahrt über Raggal. Aber ich denke, so schnell komme ich nicht mehr her. Ich habe gerade keine Lust mehr auf 14% Steigungen, die scheinen eine Vorarlberger Spezialität zu sein…