Wetter: Regen 10 bis 12°
Tageskilometer: 114
Gesamt zurückgelegte Kilometer: 3145
Tages-Fahrzeit :5:25 h
Gesamte Fahrzeit: 170:04 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 21,0 km/h
Tageshöhenmeter: 1041
Gesamt Höhenmeter: 35697
Maximale Steigung 13%
Maximalpuls: 151
Durschnittliche Pulsfrequenz: 120
Am Morgen gibt’s Irish Breakfast von der Landlady zubereitet. Sie fragt mich wie ich geschlafen hätte, und wahrheitsgemäß antworte ich sehr gut. Ich überlege ob ich was zum Zimmer, dem abgelaufenen Zeug usw. sagen soll. Aber ich lasse es. Sie und ihr Mann, der übrigens aussieht wie die irische Version von Placido Domingo, sind extrem nett. Dass das Zimmer sicher keine 40 Euro sondern eher 25 Kosten dürfte im Vergleich zu den sonstigen Übernachtungen werden sie wohl irgendwann selbst merken.
Es hat die ganze Nacht über gestürmt und geregnet, und so bleibt es auch am morgen. Als ich losfahre hört es allerdings für einige Minuten zu regnen auf, was mich, zusammen mit der Tatsache dass die Fahrradhose von gestern noch nicht trocken ist, dazu verleitet wie die ganzen letzten Tage auf die Regenhose zu verzichten.
Wie sich herausstellt ein Fehler. Zunächst bin ich überrascht, dass ich zwar nach Westen fahre, aber trotzdem ganz gut gegen den Wind ankomme. Es ist zwar anstrengend aber noch ok. Dann führt die N59 nordwärts, was mir etwas Unterstützung durch den Wind einbringt. Allerdings kommt er unerwarteter Weise auch des öfteren von der Seite. Egal, ich bin für jede Unterstützung dankbar, denn die Beine fühlen sich nur so mittel gut an. Anscheinend macht sich das fehlende Abendessen doch bemerkbar.
Bis Bangor läuft es eigentlich ganz gut, mittlerweile regnet es allerdings sehr stark. Wie gut, dass ich mich auf mein Material verlassen kann. Nur die Regenhose hätte ich anziehen sollen, aber dafür ist es jetzt zu spät, denn über der durchnässten Fahrradhose macht das keinen Sinn. Ich gönne mir einen Energieriegel, den ich aber mit einer spontanen Bekanntschaft teile.
Nach einem kurzen Stück gegen den Wind nehme ich eine Abkürzung Richtung Norden. Die Straße ist ungefähr ein geteerter Feldweg. Da steht ein riesen Schaf mitten auf der Straße. Das ist hier keine Ausnahme, und normalerweise flitzen die recht schnell davon. Manche brauchen etwas länger, da kann man dann richtig beobachten wie es im Schafgehirn rattert… hm, Schweißgeruch von einem Mensch, männlich, war da nicht was? ratter, ratter… äh, was war das doch gleich.. ratter, ratter… Ah der fiese Schafscherer… und plötzlich macht es klick, und leicht panisch sprinten die Schäfchen davon.
Das hier ist aber ein echtes Riesenexemplar, und sieht fast bedrohlich aus (sofern Schafe bedrohlich aussehen können). Von der anderen Seite kommt ein Auto, dieses Schafgehirn ist aber zu langsam, so dass es auf das Auto zuläuft statt weg. Das Auto bleibt stehen und das Schaf läuft drumherum, ich fahre am Auto vorbei, und jetzt bekommt das arme Schaf wohl das Gefühl ich würde es verfolgen. Durch den Regen ist die Straße klitschig und das Gehoppel des Tierchens sieht nicht gerade elegant aus. Es geht leicht bergab und ich habe Rückenwind, so dass ich deutlich schneller bin, aber zur Seite kann es nicht weg, da dort Zäune sind und so hoppelt das eben noch so „bedrohlich“ aussehende Tier verzweifelt vor mir her. Aber was soll ich machen, ich kann auch nichts für den begrenzten Verstand des Tieres, und so fahre ich fast einen Kilometer dem hoppelnd flüchtenden Schaf hinterher bis es an der zweiten Kreuzung so schlau ist und zur Seite abbiegt. Tat mir ja ein bisschen Leid, aber ich kriege einen weiteren Kilometer das Grinsen nicht aus dem Gesicht.
Nachdem ich die 314 erreicht habe geht es Richtung Osten. In der Theorie hatte ich jetzt mit Rückenwind und lockerem Fahren gerechnet. Jetzt zeigt sich der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Mittlerweile ist es sehr stürmisch geworden und über die Klippen, über die ich hier fahre peitscht der Wind mit ungeahnter Brutalität. Es schüttet in Strömen, und der Wind kommt meist von der Seite. Ich habe alle mühe das Fahrrad grob in der Spur zu halten. Die Regentropfen stechen wie Nadeln, und so kämpfe ich mich voran. Die Kilometer scheinen nicht zu vergehen, und die fehlende Mahlzeit macht sich mittlerweile nicht nur in den Beinen sondern auch im Magen bemerkbar. Ich bekomme enormen Hunger und könnte eine Pause vertragen, aber es bietet sich nichts an. Als meine Laune schon wieder etwas zu sinken beginnt, das Meer böse und dunkel auf der linken Seite gegen die Klippen peitscht, die durchnässte Kleidung sich durch kühlenden Effekt bemerkbar macht, steht dort plötzlich und unvermittelt der Grund für die ganze Mühe, nämlich das Ceide Fields Visitorcenter.
Mir ist unklar warum, aber vor 5000 Jahren kamen Farmer hierher und haben hier Felder angelegt und die bekannten Trockenmauern drumherum gebaut und dieses wilde Land besiedelt. Das Besondere ist, dass die Spuren dieser Besiedlung im Moor außergewöhnlich gut erhalten blieben und später beim Torfstechen entdeckt wurden. Eine der am besten erhaltenen Spuren aus dieser lang zurück liegenden Zeit.
Im Visitorcenter stärke ich mich erstmal mit warmer Suppe, heißem Tee und Scones mit Jam. Der Film zur Ausgrabungsstätte ist ganz gut, etwas pathetisch vielleicht. Die eigentliche Siedlung sind nur ein paar Mauerreste, die komplette Führung spare ich mir, denn mittlerweile macht der Wind das Gehen nur mit großer Mühe möglich, der Regen peitscht und mein rechter Schuh hält den Bedingungen nicht mehr stand, so dass der Fuß komplett nass und entsprechend kalt ist.
Ich fahre weiter, bzw., versuche weiterzufahren. Der Sturm peitscht über die Klippen und versucht mich über den Straßenrand in die Tiefe zur stürzen. Das ist nicht sprichwörtlich gemeint, sondern ist tatsächlich so.
Ich kann der Kraft des Windes nur mit Mühe widerstehen und fahre in der Mitte der Straße. Das löst bei den zum Glück nicht zu vielen Autos, die in meine Richtung fahren manchmal Unverständnis und Hupen aus, aber wenn die nächste Böe mich erfasst und Richtung Abgrund drückt sehen’s auch die ein. Die Schlauen merken schon an meiner beachtlichen Schräglage auf gerader Strecke, dass ich mit dem Wind zu kämpfen habe.
Irgendwann ist die Grenze der Fahrbarkeit erreicht, aber außer weiterfahren habe ich eh keine Alternative. Der rechte Fuß fühlt sich an als ob er in einem Eimer Wasser stehen würde, und macht auch so Geräusche, das einzige was noch einigermaßen trocken ist, ist mein linker Fuß. Eigentlich hatten die Schuhe sogar den Dampfstrahlertest bestanden, aber anscheinend sind die Bedingungen hier sogar noch härter.
Anyway, ich kämpfe mich durch Wind und Regen, und beschließe mich von diesem garstigen Land nicht kleinkriegen zu lassen. Egal welche Bedingungen ab heute bis Belfast fahre ich auf jeden Fall immer mindestens 100 Kilometer und wenn ich die letzten Kilometer auf allen Vieren kriechen muss. Ich fühle mich persönlich herausgefordert und nehme die Herausforderung an.
Kurz vor Killala gibt auch der zweite Schuh auf, und ich merke wie das Wasser von oben eindringt. Goretex hin oder her. Jetzt wird es echt ungemütlich, es gibt nicht nur nichts trockenes mehr an mir, sondern alles ist komplett durchnässt. Eigentlich ist das noch untertrieben, aber ich kenne keinen heftigeren Ausdruck. Das Zusatzgewicht durch Regenwasser dürfte so bei drei bis vier Kilo liegen. Die Schuhe lassen das Wasser zwar rein, dann aber nichts mehr raus…
In Killala gibt es einen der Rundtürme, für die Irland so berühmt ist, aber leider hat der zu. So mache ich ein Foto von außen und ziehe weiter Richtung Ballina. Ich hoffe dort auf ein Hotel mit schönem Zimmer, denn ich brauche dringend eine heiße Dusche und muss irgendwie die Klamotten trocken kriegen, vor allem die Schuhe.
Als ich die 100 Kilometer Marke für heute überschreite balle ich dem Land die Faust entgegen. Das wehrt sich zugleich, indem der Verkehr stärker und die Straße schlechter wird, so dass ich in einer Rinne aus braunem Dreckwasser fahre, da in der Mitte fahren bei diesem Verkehr nicht geht. Die Füße schaffen es nicht mehr die Wassermenge in den Schuhen zu erwärmen, trotz der Tretarbeit, die sie verrichten müssen. So kühlen die langsam runter auf geschätzte zwei bis fünf Grad.
Es können nicht mehr viele Kilometer bis Ballina sein, es dürfen aber auch nicht mehr viel sein, denn mittlerweile ist nicht nur alles nass sondern auch kalt. Die Füße spüre ich kaum noch, und auch die Beine fühlen sich seltsam taub an. Ich fahre nicht mehr bewusst, sondern funktioniere nur noch wie in Trance. Selbst das ständige Ausgleichen gegen den Seitenwind oder das Ankämpfen gegen den Gegenwind findet unbewusst statt. Ich nehme nicht mal wahr ob es berghoch oder bergrunter geht. Die Gedanken kreisen nur noch um ein imaginäres Hotelzimmer mit heißer Dusche.
Und so erreiche ich Ballina, dass zum Glück ein etwas größerer Ort ist, so dass die Chance auf ein Hotel besteht. Da ich aber kein Hotel finde nehme ich ein B&B im Pub, dass aber völlig ok ist, und günstig ist es auch noch.
Nach der heißen Dusche stellt sich raus, dass auch eine der Ortlieb Packtaschen nicht mehr wasserdicht ist. Das ist wirklich problematisch, denn mit nassen Füßen und ohne trockenes Zeug zum Wechseln müsste ich die Tour abbrechen, denn Schottland wird nicht viel besseres Wetter haben wie Irland, und eine komplett durchnässte Tour lässt sich wohl gesund nicht überstehen.
Anyway, morgen werde ich Gelegenheit haben rauszufinden ob das einmalige Ausrutscher waren. Wenn nicht muss ich bis Belfast durchhalten und mir dort neue Schuhe und Packtaschen kaufen.
Zum Glück ist die zweite Ortlieb Packtasche noch dicht, und so kriege ich noch eine trockene Kleiderausstattung zum Essen gehen zusammen.
Ich finde ein extrem gemütliches Pub, das Essen ist hervorragend, die hübsche Bedienung extrem nett, es läuft Championsleague auf der Großbildleinwand. Irland ist doch ein ganz nettes Land?! Ich habe zwar gar nicht so einen Hunger, zwinge mich aber zum Essen, denn das liegt wohl eher an der Erschöpfung und fehlende Mahlzeiten machen sich gleich in der Leistungsfähigkeit bemerkbar. Und morgen gibt es wieder einen heftigen Tag, denn das Wetter soll so bleiben.