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Ultracycling und Alpenpaesse

RAAM 2017 Rennbericht Teil 2 – Erste Schwächephase

Nach dem Ende der neutralisierten Strecke geht es zunächst über eine Brücke und nach zwei Abzweigungen auf verkehrsreicher Straße in ruhigere Gefilde. Ab jetzt heißt es Tempo hochhalten, konzentriert bleiben und nicht überziehen.

Mein Plan ist es im Auflieger solide G1 zu fahren solange es geht und berghoch nicht über den G2 Bereich hinaus zu fahren. Schon bald geht es aber von der flachen River Road in die Sleeping Indian Road. Und während man anfangs noch dosieren kann, kommt schon bald eine längere Steigung die in die zweistelligen Steigungsprozente reicht, mit G2 nicht überschreiten ist da nix mehr. Ich muss schon deutlich über 300 Watt treten.

In der Steigung kann ich auch die ersten Fahrer überholen. Von hinten überholt mich wiederum die 455 Svata Bozak aus Tcheschien. Fährt aber nicht weit genug weg, so dass ich wieder daneben fahre und schließlich wieder überhole.

Durch die Morro Hills geht es ja mehrmals bergauf und bergab. Ich, bzw. eigentlich wir, laufen auf Andre Kajlich auf, den Handbiker. Er wird noch von einigen lokalen Radfahrern begleitet. Bergab ist er unfassbar schnell, keiner auf einem normalen Rennrad kann mithalten. Aber auch berghoch ist er beeindruckend stark unterwegs. So kommen Svata und ich nur langsam näher. Auf der Abfahrt in der Morro Hills Road kann ich dann aber vorbeiziehen. Muss mich aber anstrengen dann davor zu bleiben.

Nach einem weiteren Abzweig und weiterer Abfahrt müssen wir an der Ampelkreuzung die über den Highway 76 führt bei Rot halten. Ich unterhalte mich kurz mit Svata und kurz darauf kommt auch Andre hinzu. Wir wünschen uns gegenseitig Glück und Erfolg für das nun kommende brutale Rennen. Ein schöner Moment, sowas wie die Ruhe vor dem Sturm.

Als wir weiterfahren bleibt Andre dann im Flachen etwas zurück, Svata und ich wechseln aber immer wieder, er fährt in den leichten Anstiegen etwas schneller, ich im Flachen. Allerdings kann ich dann zunächst doch ein paar dutzend Meter zwischen uns legen, nachdem ich eine Weile in gebührendem Abstand hinter ihm her gefahren bin. Da Windschatten fahren verboten ist, muss man hier besonders aufpassen, ich fahre meist einfach in der Mitte der Straße um gar nicht erst irgendwelche Fragen aufkommen zu lassen und auf jeden Fall ein Penalty zu vermeiden.

Insgesamt handhaben wir das recht gut und nun laufen wir sowieso auch auf andere Fahrer auf, RAW und RAAM. Mittlerweile haben wir die Old Castle Road erreicht, also der Punkt an dem das Followcar zu mir stoßen darf. Auch wenn erst mal kein Direct Follow erlaubt ist.

Ich bin aber froh, dass jetzt noch soviel auf der Strecke los ist, denn ich kann mich nicht mehr gut an die Streckenführung erinnern und da die Garmin Edge 1000 nicht mit den Garminkarten zurechtkommen fahre ich ja ohne eigene Navigation. (Danke nochmal für nichts Garmin! Bin immer noch stocksauer).

Nachdem die Morro Hills ja schon ein paar ordentliche Höhenmeter ins Profil gestreut haben geht es bald weiter bergauf und es folgt auch nach ein paar Meilen der nächste richtige Anstieg. Am Abzweig in die Steigung schneidet mich noch das Followcar von der 576 auf dem Radstreifen, ich muss laut brüllen und gegen das Auto hämmern damit die mich nicht umfahren. Man Leute gibt‘s denn sowas? Aber die Jungs im Auto waren wohl noch ziemlich aufgeregt und haben mich übersehen, sie entschuldigen sich als sie mich überholen, alles wieder gut.

Im Anstieg überholt mich wie 2014 Christoph Strasser, der ja doch ein ganzes Stück nach mir gestartet ist. Ein freundlicher Gruß und weg ist er. Aber diesmal werde ich sicher besser dagegenhalten, wenn nur das verdammte Knie durchhält.

Allerdings macht mir die „Hitze“ zu schaffen, obwohl es nur niedrige bis mittlere 30er C° hat, kommt es mir unangenehm schwül heiß vor. Dabei bin ich ja noch gar nicht in der Wüste und die angebliche Hitzeschutzkleidung von X-Bionix versagt komplett („fahren wie im Schatten“ von wegen). Beim nächsten Stopp muss ich unbedingt wechseln auf das bewährte Sugoi Trikot von 2014 mit dem entsprechenden Castelli Unterhemd.

Aber der nächste Stopp sollte ja noch lange, lange vor mir liegen wenn alles glatt läuft. Momentan läuft aber gar nichts glatt. Die vermeintliche Hitze killt mich, der Puls geht unaufhaltsam nach oben, die Leistung nach unten. Was ist denn jetzt los?

Mir geht es nicht sonderlich gut, mir geht es sogar schlecht. Der Puls steigt bis auf 175, das ist ja schon in der Nähe meines Maximalpulses, mehr als 170 bis 180 Watt kommen nicht mehr aus den Beinen, ich fühle mich elend und schwach. War es doch ein Fehler das RAAM nochmal zu fahren? Bin ich überhaupt innerlich noch bereit dazu. Denn eigentlich will ich es nicht mehr fahren, es killt mich finanziell, ich riskiere heftige orthopädische Beschwerden, es ist eine Tortur, und mein Körper hat sich das genau gemerkt und weiß was auf ihn zukommt. Bin ich mental wirklich bereit dazu das Ding nochmal zu fahren?

Die Lage bessert sich nicht, Puls bleibt hoch, Leistung bleibt niedrig. Ich habe ein enormes Bedürfnis vom Rad zu steigen. Wie sollte ich das dem Team erklären? „Leute ich hab es nicht mehr drin, ich komme nicht mal über den ersten Berg, lasst uns nach Hause fahren?“

Ok, so tief werde ich nicht sinken, ich habe bis jetzt noch kein Rennen aufgegeben, und bis jetzt alles gefinished wo ich gestartet bin. Und noch ist das Rennen lang. Ich muss den Berg hochkommen und mich erholen. Ich muss die TS1 erreichen, ich muss die TS1 erreichen.

Die körperlich Lage ändert sich nicht, aber ich schaffe die Steigung. Ich habe immer wieder Kontakt zum Followcar und vor allem zu Olli, was eine beruhigende Wirkung auf mich hat. Ich kommuniziere meine Schwäche nicht so deutlich, allerdings ist sie wohl unübersehbar.

Ich versuche den Puls im Flachen zu beruhigen, aber er bleibt viel zu hoch und ich fühle mich immer noch schlecht. Jetzt werde ich wieder nervös, was zum Teufel ist da los? Ich MUSS mich wieder fangen, sonst habe ich keine Chance durch die Wüste zu kommen.

Ich erreiche die TS1. Gut. Ich versuche weiter den Puls zu beruhigen, erfolglos, die Leistung verbessert sich allerdings etwas. Auf geht‘s in Richtung Glass Elevator. Eigentlich eine ganz schöne Strecke, der Puls liegt 20 Schläge zu hoch. Ich achte überhaupt nicht auf andere Fahrer, ich frage mich nur wie ich durch die Wüste kommen soll.

Der recht moderate aber konstante Anstieg endet sogar etwas früher als gedacht, trotz etwas schlechteren Windverhältnissen als 2014. Dann kommt die nicht ganz ungefährliche Abfahrt über die Glass Elevator genannte „Passstraße“. Die Gefahr kommt nicht von der Strecke, sondern durch die böigen teils extrem heftigen Seitenwinde die hier unvermittelt über die Straße peitschen und dich bei hohen Geschwindigkeiten umreißen wollen.

Aber diesmal sind die Bedingungen fantastisch. Leichter Gegenwind, aber sonst alles ideal, keine fiesen Böen, nichts. Ich kann das Ding einfach runterrollen, nur an drei Stellen muss ich leicht Bremsen und ärgere mich noch, dass ich zu ängstlich war. Ein Begleitfahrzeug eines RAW Fahrers hält mich auf und macht auch trotz Handzeichen und mehreren Gelegenheiten keinen Platz. Ich bin echt sauer und überhole mit vollem Risiko. Wirklich unachtsam oder unfair, muss überhaupt nicht sein! Aber trotzdem, mein Puls beruhigt sich komplett und ich erhole mich. Das üble Schwächegefühl geht weg. Und als ich bei der Abfahrt in die Wüste, hinunter nach Borrego Springs, in die trockene Hitze der Wüste eintauche spüre ich sofort, kein Problem hier fühle ich mich wohl.

Was für eine Erleichterung. Klar ist es noch heiß für die Uhrzeit, und ich muss zusehen, dass ich wie geplant den großen Roller (eine riesige Bodenwelle einige Meilen hinter Borrego) noch vor sieben Uhr Ortszeit erreiche, denn danach will ich das Rad wechseln und wir wollen das mit einem Crewtausch verbinden, denn dann ist auch Wechsel auf Direct Follow vorgeschrieben. Aber das Gefühl ist nun definitiv wieder positiv.

Ich habe jetzt wieder Zuversicht gewonnen und freue mich auf die erste Nacht, auch wenn es nicht so rund läuft wie 2014. Ich werde noch etwas Zeit brauchen um richtig ins Rennen zu finden, aber noch ist nichts verloren. Ich muss mich ins Rennen kämpfen, das Team ist voll motiviert und richtig gut drauf.

Obwohl ich mich mit der Entfernung zum dem Roller etwas verschätze erreichen wir ihn recht pünktlich kurz vor sieben Uhr und ich tausche das Rad, wechsle zum Roubaix SL4. Jetzt heißt es Meilen schrubben um möglichst viel Wüstenkilometer in der Nacht zurückzulegen.

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1 Kommentar

  1. Michaela 8. Juli 2017

    Hallo Guido!

    Ich finde ja, du solltest ein Buch darüber schreiben. Deine Berichte sind so spannend und mitreißend, da kann jeder Thriller einpacken.

    Toll, dass du alles noch einmal aus deiner Sicht uns näher bringst.

    Hat Katrin eingentlich schon die Torte gebacken?

    Ganz liebe Grüsse,

    Michaela

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