steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

Tag 12 Boscastle – Lynmouth

Wetter: sonnig, morgens 13 bis 17°, abends 15 bis 6°
Tageskilometer: 123
Gesamt zurückgelegte Kilometer: 1106
Tages-Fahrzeit :7:03 h
Gesamte Fahrzeit: 66:55 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 17,5km/h
Tageshöhenmeter: 2056
Gesamt Höhenmeter: 14995
Maximale Steigung 26%
Maximalpuls: 157
Durschnittliche Pulsfrequenz: 129

Wie so oft geht es morgens gleich mit einer heftigen Steigung los. Es gibt kein Einrollen, sondern man muss gleich 100 Prozent geben, Warmfahren gibt es nicht. Zwar hatte ich noch recht weit oben am Berg mein Zimmer genommen, aber nach einer kleinen Schussfahrt die so steil ist, dass man sich nicht warmfahren kann, geht es eine fünf Kilometer lange Steigung hoch, ein nicht unerheblicher Teil mit 18%.


Ich mache mir in diesem Moment ernsthaft Gedanken, wie ich denn meine geplanten Ziele erreichen soll. Auch wenn das erste Miniziel Landsend erreicht ist, und das nächste Miniziel Cardiff irgendwie sicherlich zu erreichen ist, kommen dann ja erst die Berge von Wales. So sinniere ich gerade über die Chancen die Tour erfolgreich abzuschließen, als ich hinter mir zwei Radler mit Gepäck wahrnehme, die wohl aus einem der B&B Häuschen gekommen sind, und sie kommen näher. Eigentlich eine gute Gelegenheit für etwas Radlersmalltalk, aber ich bin so gefrustet von der direkten Quälerei nach dem Frühstück, dass das letzte Fünkchen Ehrgeiz in mir es nicht zulässt, dass mich irgendwelche Freizeitradler einholen oder gar überholen, Rennradler ok, wäre ja fatal wenn die langsamer wären wie ich, aber Jungs mit Gepäck? Lieber fall‘ ich tod vom Fahrrad.

Also ignoriere ich die Steigung einfach und geben nochmal richtig Gas, und versuche immer einen Gang höher zu fahren wie eigentlich geht. Und natürlich sind da immer noch Reserven, man braucht eben nur eine Motivation um sie zu aktivieren. Es dauert einen Moment dann kann ich sie nicht mehr hören und die Steigung geht jetzt über in eine heftige Abfahrt, wo ich sie vollends abhänge. Klingt vielleicht albern, aber von Radlern mit Gepäck, sprich solchen die mit gleichen Waffen kämpfen lasse ich mich nicht überholen, das ist mir auf der ganzen Skanditour nicht passiert und ich werde auch auf dieser Tour versuchen das zu vermeiden. Allerdings gibt’s auch recht wenige davon, so dass ich solche Mätzchen sicher nicht oft wiederholen werde.

Ich fahre die A39 Richtung Barnstaple, anfangs mit heftigen Steigungen, insgesamt normalisiert sich das ganze aber etwas und bleibt meist im einstelligen Bereich.


Die Landschaft drumherum ist sehr schön und in Bude mache ich einen kurzen Abstecher durch das Städtchen und update in einem Internetcafe das Blog. Dann geht es weiter Richtung Barnstaple.




Auf dem Weg dorthin komme ich am Abzweig nach Clovelly vorbei. Ein kurzes Zögern, denn eins ist klar, wie bei allen Fischerdörfchen heißt es steile Abfahrt hinein, und dann steiler Anstieg aus dem Loch wieder raus. Ich fahre also hinunter, und nach wenigen hundert Metern kommen mir Zweifel ob es eine gute Idee war, denn Clovelly erweist sich als schwarzes Loch, hier sind die 25%tigen Steigungen auch noch stolz ausgeschildert.


Aber schließlich will ich mir ja England anschauen und nicht die Strecke nach der Fahrradtauglichkeit auswählen. Und Clovelly ist angeblich das meist besuchte Dorf Großbritanniens.

Unten angekommen zeigt sich auch warum, denn das ist schon ein besonderes Örtchen. Faszinierende Aussicht auf’s Meer einerseits und die tolle Aussicht auf den Ort, der in den Hang gebaut ist, lassen mich etwas auf der Kaymauer verweilen. Es gibt einen leckeren Energieriegel und etwas dösen in der Sonne.



Auf dem Rückweg habe ich kurz die Hoffnung den Roverservice für Fußgänger in Anspruch nehmen zu können, aber das Vorhaben scheint die geistige Flexibilität des Roverchauffeurs zu überfordern, und so behalte ich mein Geld und nehme es sportlich. Den ersten knapp ein Kilometer langen 25% steilen Weg schiebe ich, was sich als recht aufwendige Prozedur erweist, weil das doch extrem steil ist. Ich kann auch gut die Leute verstehen, die diesen Weg nicht zu Fuß gehen wollen, sondern sich mit den Landrover zu den Parkplätzen fahren lassen (ganz zu schweigen von den eldery people, die sonst keine Chance hätten sich das Dorf anzuschauen).

Nach dem heavy Abschnitt steige ich auf’s Rad und fahre den Rest nach oben, was an einigen kleinen Stellen zum heutigen Steigungsrekord von 26% führt. Im großen und ganzen fühlt es sich aber besser an, als bei der Abfahrt befürchtet.

Weiter geht es auf der A39, die ihren Charakter jetzt aber langsam unangenehm ändert und sich zur meist zweispurigen Schnellstraße wandelt. So sind die Steigunen zwar nicht so steil, teils aber sehr lang, so dass mir der Verkehr dann irgendwann nach fünf Kilometer Steigung und leeren Wasserflaschen dermaßen auf die Nerven geht, dass ich wild zu fluchen Anfange. Jetzt gibt es auch keine Pubs oder Cafe’s ab und zu am Straßenrand wie vorher, so dass ich kurz vor Barnstaple eine Servicestation aufsuche. An der Tanke gibt es frisches Wasser und sonst gibt’s nur ein KFC, so dass ich erstmals Fastfood esse seit ich hier bin.

Hinter Barnstaple geht’s dann weiter auf der A39 in Richtung Lynston, die sich hier wieder völlig verwandelt zur kleinen Straße und sich in fast serpentinenartiger Straßenführung Richtung Exmoor Nationalpark zieht. Die Sonne steht tief, die Landschaft ist herrlich und der Verkehr lässt deutlich nach, so dass es jetzt wieder richtig Spaß macht.



Ich überlege eines der kleinen B&Bs am Straßenrand aufzusuchen, doch heute möchte ich die hundert auf jeden Fall voll machen, dafür ist es gerade zu schön. Die Steigungen nehme ich gar nicht mehr so war, sondern genieße die Landschaft und das Wetter. Als ich dann irgendwann doch ein B&B aufsuchen will, treffe ich einen älteren Gentleman auf einem alten Mountainbike, der mich fragt ob ich zwei junge Damen mit einem Trolley überholt hätte, die hätten nämlich nicht gewusst, dass hier keine Busse fahren und wollten zu Fuß mit ihrem Koffer nach Lynston laufen. Hä? Mit einem Koffer mit so kleinen Rollen dran hier über die Berge 10 Meilen nach Lynston? Nee hab ich nicht gesehen. Wo ich denn her käme? Aus Germany. Aha, die seien wohl auch aus Germany, vielleicht aber auch mehr aus Osteuropa. Na mir liegt ein schlechter Witz über Zone und so auf der Zunge, aber ich lasse es und lasse mir stattdessen erklären, dass es bis Lynston nur noch eine kleine Steigung gäbe und dann meilenweit smooth bergab.



Ich glaube ihm kein Wort, beschließe aber trotzdem nach Lynston durchzuziehen. Selbstverständlich gibt die eine oder andere Steigung mehr, und kurz vor Lynmouth, für dass ich mich dann entscheide, sogar noch eine besonders heftige. Ich fange noch am Berg an in den Hotels und B&Bs zu fragen, aber alles fully booked. Dann kommt eine sagenhafte Abfahrt, durch eine wild aussehende Wald- und Hügellandschaft. Das letzte Teilstück liegt ja schon im Exmoor Nationalpark.


Auch unten im Hafensstädtchen scheinen alle ausgebucht, doch im letzten Hotel gibt’s noch ein Zimmer und das ist auch noch besonders kuschelig. Und es ist sogar der einzige Ort wo ich noch was zu essen kriege, da es doch recht spät geworden ist.
Naja, dafür darf ich morgen wieder mit einer heftigen Steigung anfangen…

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1 Kommentar

  1. Peter 14. April 2009

    Da versteh´ einer die Briten – wie kann denn ein touristisch erschlossenes Gebiet in der Nebensaison „fully booked“ sein? Egal. Hast Du die 2 Trolley- Pilotinnen noch gesehen? Peter

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