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Ultracycling und Alpenpaesse

Erstes Training in der Wüste

Die Temperaturen erreichen momentan die 40° C nicht mehr. Fast etwas schade, denn im Juni während des Rennes werden sie aller Wahrscheinlichkeit nach deutlich über dieser Grenze liegen.

Allerdings stehen heute auch vier Stunden Training auf dem Programm. Was zu Hause eine lockere Runde sein könnte wird hier zu einem komplexen Unterfangen. Denn sobald ich die Stadt verlassen habe kommt nichts mehr, aber auch gar nichts, d.h. Flaschen auffüllen oder irgendwo im Notfall im Schatten unterstellen und was kaufen kann ich vergessen.

Noch dazu weht der Wind sehr heftig aus westlicher Richtung. Beim Rennen wäre das ein Traum, nun beim Training fliege ich erst mal und habe wirklich Mühe, vor allem bei den G2 Intervallen, den Zielbereich von 280 Watt einzuhalten. Bei konstanten Geschwindigkeiten zwischen 43 und 50 km/h im eher flachen Gelände muss ich ganz schön aufpassen mir keinen Plattfuß zu fahren, denn der Straßenbelag ist ruppig, und es liegt immer wieder spitzes Metall oder Holz auf dem Seitenstreifen.

Die Panne gestern ging auf einen Snakebite zurück, es gibt doch einige Querfugen an denen der aufgeplatze Asphalt sich nach oben gebogen hat. Wenn man dann da mit 45 km/h drüberknallt…

So habe ich für die heutige Trainingsfahrt den Luftdruck nochmal etwas erhöht, die Komforteinbuße kann ich im Training leicht verschmerzen.

Nachdem die Straße zunächst schnurgerade durch bewässerte Felder und an der großen Rinderstation vorbeiführt geht es etwas kurviger in die Sanddünen der Algodones Dünen (die hier aber nur Imperial Sand Dunes genannt werden).

Mit den Getränken komme ich bis jetzt ganz gut hin, die Temperatur liegt auch nur im mittleren 30er Bereich, hier in den Dünen so bei knapp 37° C. Ich habe 3,8 Liter Wasser dabei, ich hoffe das reicht.

Nachdem die Dünen durchquert sind folgt ein Abschnitt mit etwas mehr Bewuchs und am Horizont werden die Chocolate Mountains immer größer.

Ich muss aber wirklich aufpassen, dass ich nicht zu weit fahre, denn der Rückweg gegen den heftigen Wind wird natürlich viel länger dauern, und so kehre ich nach anderthalb Stunden um. Dann habe ich eine Stunde Reserve für meinen Kampf gegen den Wind.

Aber irgendwie geht mir nach zwanzig Minuten zurück im Kampf gegen den Wind die Leistung weg.

Keine Ahnung warum, die Temperatur ist es wohl eher nicht, vielleicht schwächt mich doch tatsächlich dieser komische Insektenstich? Das linke Schienbein ist ja mittlerweile auf einer Länge von 20 cm und einer Breite von fast 10 cm angeschwollen und um den Einstich ein großer Bluterguss entstanden. Welches Mistvieh mir auch immer da sein Gift ins Bein gespritzt hat, es hat ganz schön Power.

Anyway, ich muss jedenfalls jetzt ganz schön kämpfen, der Wind bläst mir brutal entgegen und ich habe jetzt noch fast 60 Kilometer durch diese karge Landschaft vor mir. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.

Ich schleppe mich Kilometer um Kilometer zurück, mit den Getränken liege ich noch ganz gut, ich habe noch zwei Gels dabei, aber keine Lust eines zu nehmen. Dabei fahre ich fast konstant unter 200 Watt und weiß nicht recht warum.

Die Strecke zieht sich extrem und nach drei Stunden habe ich noch immer 30 Kilometer vor mir. Da ich jetzt im Schnitt kaum noch 20 km/h fahre, heißt das noch anderthalb Stunden bis zum Hotel. Das wird langsam eng. Ich fühle mich gerade wirklich schwach. Am liebsten würde ich anhalten, eine Apfelschorle trinken, kurz im Schatten verweilen.

Aber hier gibt es nix, weder Schatten, geschweige denn etwas zu kaufen. Allerdings gibt es an den Bahnschienen die ich gleich überquere einen Laden, der hat allerdings geschlossen. Wobei ich auch nicht wirklich anhalten will und das Training unterbrechen will.

Andererseits, so richtig Training ist das gerade nicht mehr was ich hier tue, ich kämpfe gerade mehr so gegen meine eigene Schwäche.

So nehme ich mir vor die nächsten 10 Kilometer zu fahren, dann ggf. stehen zu bleiben und kurz zu pausieren. Die Kilometer fließen zäh wie auf dem Ergometer zu Hause die Zeit. Ich fühle mich jetzt wirklich schlapp, aber es gibt natürlich keine Optionen, aus der Wüste muss ich schon raus.

Die zehn Kilometer schaffe ich dann doch, und halte doch tatsächlich für zwei Minuten an. Die Getränke sollten noch knapp für die nächsten 10 Kilometer reichen, den Rest muss ich dann ohne fahren.

Allerdings habe ich jetzt auch den heißeren Teil hinter mir gelassen und die Sonne steht schon sehr tief. Wird nicht super, aber sollte kein Problem sein. Ich nehme dann doch ein Gel, obwohl es mir eher widerlich schmeckt. Die belebende Wirkung bleibt aber aus.

Ich schleppe mich die nächsten zehn Kilometer vorwärts. Auch die wollen nicht vergehen, ich muss wirklich einige mentale Tricksereien bemühen um mich dahinzuschleppen und muss nochmal zwei Minuten anhalten.

Die Getränke sind jetzt aufgebraucht, aber die Temperatur unter 30° gefallen, und 10.000 Meter werde ich ja wohl noch abreißen können.

So gurke ich noch die restlichen Kilometer und bin doch sehr froh die Stadtgrenze von Brawley, und schließlich mein Hotel zu erreichen.

Puh, seltsame Einheit. Das nächste Training werde ich auf jeden Fall gegen den Wind beginnen, dann fällt es leichter auf dem Rückweg, auch wenn die Kraft mal etwas nachlässt.

Den freien Tag morgen brauche ich aber auf jeden Fall.

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