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Ultracycling und Alpenpaesse

Trainingslager Soelden Tag 4

Donnerstag 12.08.2010

Gesamttageskilometer: 135
Gesamtdauer: 5:30 h
Schnitt:  24,6 km/h
Höhenmeter: ca. 2307
Gesamt geleistet: 3340 kJ
Durchschnittliche Leistung an der Kurbel: 191 Watt
Durchschnittliche Temperatur: 17° C

Fahrrad: Specialized Roubaix mit Mavic R-Sys SL Laufrädern und SRM Kurbel
kleinste Übersetzung: 34 – 32 = 2,27m
Gewicht: ca. 10,8 kg inkl. Trinkflaschen und Fotoapparat
Systemgewicht inkl. Fahrer (77,2 kg + 2,5 Kleidung) ca. 90,5 kg

Das Wetter hat sich noch etwas verschlechtert, und es regnet in Strömen. Da es leider auch der Franz für vernünftiger hält die Alternativroute zu fahren, verzichten wir auf die Auffahrt zum Stilfser Joch. Schade, aber ich schließe mich natürlich der Mehrheit an, und so begeben wir uns auf die Abfahrt hinunter nach Prad. Bei dem Wetter muss man schon in der ein oder anderen Kurve früh bremsen, aber alles geht ohne Zwischenfall ab.

Nach Meran geht es dann eigentlich auch nur noch bergab, allerdings relativ sanft, und leider auf extrem verkehrsreicher Strecke. Alleine wäre ich diese Strecke niemals gefahren, allerdings bin ich durch die Radreisen ja nicht nur wetterfest, sondern auch abgehärtet gegen den Stress des Straßenverkehrs.

Ein kurzes Raufhändel mit einem LKW-Fahrer beendet dieser mit der Autorität des Stärkeren und schneidet die Führenden brutal. Ansonsten geht aber alles glatt, und als wir ein Stück Radweg fahren können, und bei aufklarendem Himmel durch Obstplantagen fahren und selbst die Sonne schon etwas durch die Wolken lugt, hellt sich die Stimmung in der Truppe merklich auf. Einige hatten doch etwas unter dem schlechten Wetter gelitten.

Als Meran erreicht ist, müssen wir uns nochmal durch heftigen Verkehr durchkämpfen, bis wir am Ortsende eine kleine Pause machen um die Regenklamotten ins Begleitfahrzeug zu legen und uns für den jetzt folgenden 50 Kilometer Anstieg bis zur Passhöhe am Timmelsjoch nochmal zu verpflegen.

Wie immer an den Anstiegen, kann jeder sein eigenes Tempo fahren, und nach ein paar Metern fährt Bernard an mir vorbei, der 58 Kilomann, der tatsächlich nur 54 Kilo hat und die Gletscherstraße in 1:01 als Bestzeit hochgefahren ist. Als er an mir vorbei fährt und „C’mon let’s go“ ruft, beschließe ich mich dranzuhängen. Da ich mich heute eigentlich das erste mal richtig gesund fühle, und die Beine recht gut sind, beschließe ich mich nicht nur dranzuhängen, sondern mit ihm zusammen richtig Tempo zu machen. Und zwar so, dass ich am Fuß des Timmelsjoch schon blau bin, damit ich das Ötztaler Feeling ein bisschen simulieren kann.

Und so wechseln wir uns im Wind ab und geißeln brutal Richtung St. Leonhard. Im Wind zeigt das Wattmeter meist zwischen 350 und 400 Watt. Und ich halte wirklich drauf was geht. Wir überholen noch einige die etwas vor uns losgefahren sind, und so kommt bis St. Leonhard ein Schnitt von immerhin 247 Watt inkl der etwas abschüssigen Teile zusammen, mit einem Maximum von 625 Watt.

Am Kreisel in St. Leonhard, wo die eigentliche Timmelsjoch Passstraße beginnt, verabschiede ich mich von Bernard, denn jetzt wird er deutlich schneller fahren wie ich. Ich versuche einfach nur die Wattzahl bei 300 bis 350 Watt zu halten, so lange es irgendwie geht. Und tatsächlich geht es anfangs noch super, obwohl wir die ersten 20 Kilometer so gegeißelt sind.

Ein bisschen versuche ich die leichte Enttäuschung über das nicht gefahrene Stilfser Joch noch in Watt umzusetzen, aber es ist natürlich auch klasse das Timmelsjoch vierzehn Tage vor dem Ötzi nochmal zu fahren. Je besser man einen Pass kennt, desto besser kann man ihn fahren.

Bis zum Flachstück nach ca. 15 Kilometern kann ich die Leistung wirklich hochhalten, das hätte ich nicht gedacht. Auf dem Flachstück selbst, lasse ich es allerdings etwas ruhig angehen und trete nur so um die 180 Watt.

Dann geht es in den Serpentinen Teil. Es ist schon sehr anstrengend, und zwischendurch denke ich mir, dass der Ötzi vielleicht doch noch ein Jahr zu früh kommt, aber letztlich geht es von der Wattzahl eigentlich, so um die 220 Watt trete ich in den steilen Serpentinenabschnitten noch. Irgendwann fährt Slavo im Begleitfahrzeug vorbei und fragt ob alles ok ist. Ich habe noch zwei Schluck Wasser und es sind noch ca. 6 bis 7 Kilometer. Reflexartig sage ich ja, und bereue es schon zwei Kilometer später als mein Wasservorrat zu Ende ist. Aber ich tröste mich mit dem Gedanken, dass ich das Gewicht dann auch nicht den Berg hochschleppen muss.

Jetzt kommen, nach fünf kurzen Kehren, nochmal zwei mit sehr langer Strecke dazwischen, und am Ende der zweiten Strecke, kurz vor den letzten drei Kehren vorm Tunnel überholt mich der Franz und feuert mich nochmal an. Natürlich wird man nicht gerne überholt, vor allem wenn der andere deutlich später gestartet ist. Aber da hat mich gerade der Fanz Venier überholt, TopTen Finisher des Race across America, des härtesten Rennens der Welt. Irgendwie irreal. Ich glaub sooo schlecht fahr‘ ich gar nicht am Berg.

Irgendwann ist dann endlich der Tunnel erreicht, der die letzen etwas flacheren gut zwei Kilometer ankündigt. Ich nehme mir die Zeit noch ein paar Fotos zu machen, jetzt kommt es mir auf die Geschwindigkeit eh nicht mehr so an.

Ein bisschen drücke ich dann aber doch nochmal auf die Tube bis zum Passschild, und so erreiche ich die Passhöhe in brauchbaren 2:04 Stunden. Ich glaube schneller war ich am Timmelsjoch noch nicht.

Auch wenn wir während der Auffahrt nach diesem Auftakt heute morgen überraschend gute Wetterbedingungen hatten, auf der Passhöhe ist es doch recht frisch. Wie gut, dass Slavo mit den warmen Klamotten schon dasteht. Noch zwei Stück Kuchen, eine Flasche etwas aufgefüllt, und dann geht es in die Abfahrt.

Die kenne ich ja mittlerweile recht gut, und so kann ich kurz vor dem Gegenanstieg in der langen Gerade endlich die Achtzig knacken, und erreiche mit knapp 84 km/h die größte Geschwindigkeit, die ich bis jetzt auf dem Fahrrad gefahren bin. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass man die Achtzig sicher mit dem Specialized Roubaix fahren kann.

Der Gegenanstieg ist unangenehm wie immer, ich gebe aber nochmal richtig Gas. Da wir unser eigentliches Tagesziel, nämlich über 3000 Höhenmeter auf Grund der Routenänderung verfehlen werden, gebe ich bei der Abfahrt hinunter nach Sölden dann nochmal alles, und so kommt in dieser zum Teil ja recht steilen Abfahrt noch ein Schnitt von über 200 Watt zusammen.

Unten angekommen fängt es auch schon wieder an zu regnen, so dass sich nach einer kurzen Jause alles in der Sauna des Wellnesbereichs wiedertrifft. Hier sehe ich erst mal mit wem ich es da eigentlich als Mitstreitern zu tun habe. Körperfett habe ich da keins gesehen. Die Truppe macht dem „professionell“ im Namen des Trainingscamps alle Ehre…

Für mich hat dieser Tag vor allem gezeigt, dass ich da ganz gut mithalten kann. Ich bin sicher nicht bei den Schnellsten, aber auch das Feedback von Franz und untereinander bestätigt eindeutig eine für den Ötzi ausreichende Qualität. Also Finishen muss drin sein. Es gibt zwar Indizien, die auch auf eine elf Stunden Zeit hindeuten könnten, allerdings ist das Gefühl in den Pässen eher „komm lass es nochmal bleiben und mach es nächstes Jahr“.

Aber das werde ich natürlich nicht tun, sondern starten und versuchen durchzukommen. Es hängt aber auch schon etwas von den äußeren Bedingungen ab, und dass man nicht in einen Sturz verwickelt wird. Aber die mentale Stärke habe ich auf jeden Fall durch die Radreisen, und auch die körperliche Stärke sollte ausreichen, was auch diese Woche gezeigt hat. Jetzt heißt es nur noch beides zusammenzusetzen, dann könnte es klappen.

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