Gestern habe ich mich noch gefragt, ob ich dafür, dass ich sieben Stunden und fast 3800 Höhenmeter trotz meiner noch angeschlagenen Fitness auf dem Rad verbracht habe bezahlen muss.
Nun, heute ist mir schon beim Aufstehen klar, dass ich mein Vorhaben die Monachil Variante zu fahren besser verschiebe. Nach dem Frühstück betrüge ich beim Treppentest nicht wie gestern mit dem Fahrstuhl und komme nur wenig weiter als vorgestern…
Also heute Regenerationstag mit einem kleinen Ausflug über den Puerto de los Blancares. Am liebsten würde ich mich wieder ins Bett legen. Fahre dann aber vom Hotel bis zum ersten Kreisel und kehre um in die Gegenrichtung nach Monachil. Kurz gewinnt die Gier nach Steigungsprozenten und Fahren in absoluter Höhe über 2500 Meter, dann kehre ich aber im Kreisel auf der anderen Seite wiederum um in Richtung Innenstadt Granada.
Mein Körpergefühl, das mir mittlerweile, zumindest im Bezug auf das Radfahren, recht detaillierte Rückmeldung gibt, sagt das geht heute wirklich nicht.
Also höre ich darauf und fahre tatsächlich nach Granada rein, starte am üblichen Punkt die Stoppuhr, und radle dann stadtauswärts, durch Cenes de la Vega bis zum Abzweig nach Quenta und La Peza.
Kurz zuckt es nochmal, ob ich nicht doch durch Pinos Genil weiterfahre und einfach nochmal die Standardvariante hochfahre. Die Vernunft siegt aber, bzw. viel mehr bringen die Beine einfach keine Leistung. Kaum, dass mal die 200 Watt auf der Anzeige des Radcomputers überschritten werden.
Obwohl ich erst um viertel nach zehn gestartet bin, ist die Temperatur recht angenehm, ich friere sogar ein bisschen, führe das aber eher auf den etwas kränklichen Zustand zurück.
Wie zu erwarten war tummeln sich hier etliche Radfahrer. Einerseits ist es Sonntag, andererseits ist dies offensichtlich DIE Trainingsstrecke für Rennradfahrer und Mountainbiker, die ja auch die Gelegenheit haben irgendwo in die Berge abzubiegen, hier gibt es mit Sicherheit tolle Trails und MTB Strecken.
Das die GR-3201 eine Traumstraße für Rennradfahrer ist hatte ich ja vorgestern schon mit dem Auto festgestellt. Und jetzt bestätigt sich der Eindruck auch auf dem Rad. Es gibt sicher viele fantastische Strecken, ich denke da nur an Sardinien letztes Jahr, aber wenn man eine neue entdeckt ist das immer wieder ein schönes Erlebnis.
Die ersten Kilometer ist die Strecke eher wellig, man gewinnt zwar insgesamt ein paar Höhenmeter, aber oft geht es auch wieder leicht bergab oder die Strecke ist flach. Die Landschaft ist herrlich. Nicht spektakulär wenn man gerade tags vorher die Güejar Sierra Variante auf den Pico Veleta gefahren ist, aber doch herrlich zu fahren und in herrlicher umgebender Landschaft.
Dann erreiche ich Quentar, die Steigung zieht etwas an, und in einigen Serpentinen windet sich die Straße nach oben.
Es ist kaum möglich ein Foto zu machen wo kein Radfahrer drauf ist.
Die gewonnene Höhe nutze ich für einen Blick zurück, auf den idyllischen Straßenverlauf.
Ich überhole zwei Mountainbiker recht flott. Mittlerweile hat sich die Leistung wieder etwas normalisiert und ich trete um 280 Watt berghoch, wenn auch mit viel zu niedrigem Puls. Dabei fotografiere ich ziemlich viel und es folgt eine kleine Zwischenabfahrt in der die beiden wieder aufschließen und sich an mein Hinterrad hängen.
Es ist ja etwas unhöflich, aber da gerade einige beeindruckende Abschnitte mit Felsvorsprüngen zur Linken und Blick ins Tal zur Rechten kommen, fotografiere ich weiter, während ich berghoch wieder meine 280, 290 Watt trete.
Die zwei versuchen echt dranzubleiben, obwohl ich mit meinem Rennrad berghoch klar im Vorteil bin. Ich kann nicht widerstehen und ziehe in dem jetzt kommenden längeren Anstieg, der so um 8% liegt nochmal etwas an, bis sie wegplatzen. Macht einfach Spaß, und bringt ein bisschen andere Gedanken.
In der folgenden Abfahrt nehme ich sogar etwas raus und hoffe, dass sie nochmal rankommen, aber die sind weg. Schade.
Insgesamt geht es jetzt erstmal berghoch, dann kommt aber kurz nach Kilometer 10 der GR-3201 der Stausee, der mich vorgestern schon mit seinem leuchtenden Türkis beeindruckt hat.
Die Strecke schmiegt sich schön in den Fels und fällt zur rechten Seite steil ab zum Stausee. Toller Streckenabschnitt!
Der See ist recht lang, so knapp drei Kilometer, dann kündigt ein Schild wieder etwas mehr bergige Straße an. Die Steigungen werden aber nie richtig böse. Es gibt schon Abschnitte bis 11%, die sind aber eher kurz, meist liegt die Steigung so um 6%. Und immer wieder mal flachere Stücke zwischendurch.
Vorbei geht es am Abzweig nach Tocon. Mittlerweile hat fährt man auf einer Art Hochebene. Es geht jetzt nochmal ordentlich berghoch, jedenfalls im Verhältnis zum Rest der Strecke, und dann ist der höchste Punkt auf 1297 Metern erreicht.
Zusammenfassend würde ich sagen nicht hoch aber schön. Ich konnte es doch genießen, die Beine haben dann auch wieder einigermaßen funktioniert, aber der Kopf glüht.
Ich mache natürlich ein Passchildfoto mit Selbstauslöser und beschließe dann die Abfahrt einfach zu genießen und keine Fotos zu machen, die mache ich dann im Anstieg zurück. Die Strecke ist eh nur knapp zehn Kilometer lang.
Zunächst geht es so mit ca. 2% bergab. 2% und leichter Rückenwind war bei den Radreisen mit dem schweren Reiserad und Gepäck eigentlich immer die Konstellation wo ich das Gefühl hatte zu fliegen. Jetzt ist es auch sehr entspannt zu fahren, allerdings kommt der Rückenwind gerade erst auf, und das auch eher böig.
Nachdem es fast vier Kilometer eher mäßig bergab geht, kommt eine etwas steilere „Stufe“. Die ist mit der tief in den Fels geschnittenen Straße recht spektakulär, so dass ich doch ein Foto mache.
Die Abfahrt ist auch hier besonders harmonisch zu fahren, die Kurven immer sanft, allerdings liegt gerade in den zwei, drei steileren Kurven etwas Sand und Steinchen auf der Straße, so das ich keine große Geschwindigkeit aufnehme.
Dann flacht die Strecke wieder ab, und es geht meist so mit ca. 4% bergab, es rollt aber ziemlich easy, da ich jetzt deutliche Unterstützung durch Rückenwind habe.
Nach ca. einer Viertelstunde habe ich La Peza erreicht. War sehr schön, aber ich fühle mich seltsam schlapp. So stelle ich mein Fahrrad gegen eine Hauswand und setze mich erstmal etwas in den Schatten.
Es ist Sonntag und kurz vor halb ein Uhr Mittags. Hier einen Platz zu finden um einen Café zu trinken kann ich abhaken, ich habe auch keine Lust mit dem Rad herumzuirren um ein geöffnetes Restaurant zu suchen. Ich trinke stattdessen etwas von meinem Sponser Long Energy Drink, der total scheußlich schmeckt, dabei habe ich den mal wirklich gemocht. Vielleicht ist es auch nur diese bestimmte Charge die so bitter schmeckt, dumm nur, dass ich noch bestimmt zehn Tütchen von dem Zeug habe.
Die Kreuzung ist lebhafter als gedacht und es gibt sogar einen Eselskarren zu beobachten. Schließlich habe ich aber genug vom Sitzen, besser geht es mir nicht, da hilft nur fahren.
Meine Idee ist es, die zehn Kilometerchen mit mäßiger Steigung locker hochzukurbeln und mich dann die zwanzig Kilometerchen nach Granada lässig runterrollen zu lassen.
Aber irgendwie habe ich die Rechnung ohne den Wind gemacht. Der bläst mittlerweile heftig. Und zwar entgegen meiner Fahrtrichtung. Zwar habe ich schon letztes Jahr gelernt, dass mittags der Wind hier ordentlich auffrischt, aber was sich hier seit gestern tut ist schon überraschend.
Die Böen erreichen in Granada, im Flachen über 60 km/h und oben am Pico Veleta über 90 km/h. Das habe ich gestern schon zu spüren bekommen. Das ist weder beim Bergauffahren wenn der Wind von vorne kommt angenehm, noch beim Bergabfahren wenn die Böen von der Seite kommen.
Jetzt fahre ich gerade bergauf, wenn auch nur 4% Steigung, und der Wind kommt frontal von vorne. Ich muss richtig ackern.
Aber so ist’s nun mal. Ich mache jetzt im Anstieg wieder Fotos und freue mich an der schönen Landschaft. Vor allem bestätigt sich mein Eindruck, dass man auf dem Fahrrad viel mehr wahrnimmt als im Auto. Und so kann ich mich an dem einen oder anderen Ausblick erfreuen, der mir vorgestern entgangen ist.
Das Schöne an der Strecke ist, dass sie sich immer etwas verändert, langweilig wird es also nicht.
Aber anstrengend ist es, der Wind bläst mittlerweile recht konstant, im Sinne von es gibt wenig Pausen ohne Gegenwind. Allerdings recht unkonstant im Sinne von böig und etwas drehend.
So bin ich eigentlich ganz froh, als der besonders schöne Abschnitt durch die Felsschlucht kommt, auch wenn die Steigung hier auf 11% anzieht. Die Landschaft ist schon geil.
Nachdem diese „Stufe“ überwunden ist flacht die Strecke deutlich ab, und auch wenn ich heute weit weg von halbwegs Normalform bin, so stemme ich mich doch auf dem großen Kettenblatt dem Wind entgegen. Hier bläst der schon recht kräftig, so dass ich teils 300 Watt treten muss um in der 2% Steigung 20 km/h zu fahren. Krass. Aber natürlich nix gegen den Kampf oben am Veleta.
Nach ziemlich genau einer halben Stunde habe ich die Passhöhe erreicht.
Selbstverständlich gibt es auch hier ein Foto am Schild, dann fahre ich aber gleich weiter. Wieder verzichte ich auf das Fotografieren bergab und versuche die Abfahrt zu genießen. Die Streckenführung, die sanften Kurven, der schöne Belag, die strahlende Sonne geben das auch her. Mein Zustand und der heftige, böige Gegenwind aber leider nicht.
Anyway, zunächst rollt es noch ganz gut, ich fahre aber recht langsam, da der Wind am Lenker zerrt. In den Gegenanstiegen muss ich ganz schön ackern, und je weiter ich nach unten komme, bzw. je später es wird, desto stärker wird der Wind.
An einer Stelle geht es 6% bergab als ich über eine Kuppe fahre, ich bleibe fast stehen, da sich der Wind entgegenstemmt. Jetzt geht mir das langsam auf den Keks.
Und trotz der schönen Landschaft bin ich etwas genervt. Entweder bin ich erschöpft oder krank, sowas gibt’s doch gar nicht. Ich ärgere mich etwas über mich selbst.
Dann erreiche ich den Stausee. Hier mache ich erst mal zwei Fotostopps. Ich muss jetzt erst mal was essen. Die Zeit passt ja, vielleicht finde ich doch ein Restaurant.
Die spektakuläre Szenerie am Stausee tut meinen Nerven aber irgendwie gut. So biege ich zunächst nochmal links ab und fahre auf die Staumauer, stelle mein Rad ans Geländer und bestaune erst mal den Blick über den See.
Als erstes wirft der Wind mal mein Fahrrad um. Vielleicht muss ich mein SL3 Roubaix den Göttern des Windes opfern um nächstes Jahr eine gegenwindfreie Saison zu haben?
Die andere Seite der Staumauer bietet sich dafür an. Wow, hier darf man aber keine Höhenangst haben. Der Blick hunderte Meter in die Tiefe der Schlucht haut mich um. Ich stehe ja auf Höhe, in dieser Darreichungsform ist das aber doch recht intensiv.
Nachdem ich nochmal eine Dosis „Höhenkitzel“ genommen habe fahre ich wieder zurück auf die Straße und hoffe, dass der Wind mit der Höhe abnimmt. Naja nicht so richtig, und als am Straßenrand ein Restaurant auftaucht, dass auch tatsächlich geöffnet hat mache ich erst mal Pause.
Der Café tut gut, das Essen ist lecker, und ich teile es mir mit meiner neuen Freundin, die allerdings nur treu ist, bis jemand anderes was bestellt was noch besser riecht.
Die Melone mit Schinken als Vorspeise und die Birnen als Nachspeise tun bei der Hitze wirklich gut. So gehen die restlichen Kilometer bis zur Einmündung auf die A-4026 in Richtung Granada dann eigentlich ganz gut. Ich kann die schöne Strecke genießen und den Wind einfach hinnehmen.
Auf der 4026 pedaliere ich etwas gedankenversunken gegen den Wind in Richtung Granada, als mich ein anderer Rennradfahrer überholt und dabei freundlich grüßt.
Ich wache auf und hänge mich dran. So ein bisschen Windschatten zum Ende hin, das tut doch nochmal gut. Allerdings haut der ordentlich rein. Und statt 230 Watt alleine im Wind trete ich plötzlich 350 Watt im Windschatten.
Allerdings kommt der Wind jetzt blöd von schräg vorne, so dass ich nicht voll vom Windschatten profitiere, kann aber auf der Straße auch nicht schräg hinter ihm fahren.
Obwohl ich jetzt ordentlich reinhauen muss, macht es nochmal richtig Spaß. Vor allem bietet sich eine gute Gelegenheit zu studieren, wie die Einheimischen mit roten Ampeln und anderen Verkehrszeichen umgehen. Nun, wir sind nicht einmal stehen geblieben, und das lag nicht an der grünen Welle….
An einer Kreuzung attackiert er und versucht davon zu ziehen, aber ich kann dranbleiben. So fahre ich hinterher bis zum Kreisel in Granada. Ich will mich noch für den Windschatten bedanken, aber er zieht locker über die rote Ampel, das ist mir an dieser Stelle aber zu heikel.
Die zwei Kilometer bis zum Hotel schaffe ich dann auch noch alleine, und es kommen doch 3:20 h mit immerhin 1264 Höhenmetern und, auf Grund des Gegenwindes, 198 Watt im Schnitt zusammen.
Dann geht es aber gleich ins Bett, im Fernsehen läuft Formel 1, so dass ich gut einschlafen kann…