steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

Grossglockner Hochalpenstraße Nordrampe von Bruck

Eigentlich hatte ich gehofft mal etwas länger zu schlafen. Dafür bin ich früh ins Bett gegangen, nur um dann nicht einzuschlafen und auch noch um 5:30 Uhr morgens wach zu sein. Na egal, dann halt wieder mit 5 Stunden Schlaf. Frühstück gibt es ab 6 Uhr, und im Gegensatz zum Frühstück in Sölden, im Hotel am Hof, ist das Frühstück hier im Lukashansl super.

So sitze ich um kurz vor 7 auf dem Rad und hoffe den ersten Anstieg bewältigt zu haben bevor die Motorradfahrer aufwachen. Ich hatte gestern nochmal in alten Blogeinträgen von meinen Auffahrten hier an der Großglockner Hochalpenstraße gestöbert. Und doch überlege ich gerade wie lange war nochmal der Abschnitt bis es nach dem Kraftwerk Bärenwerk in den Anstieg geht, wie lange brauch ich so grob bis zur Mautstation, und waren es bis zum Fuschertor 23, 25 oder 27 Kilometer? Gibt’s doch nicht. Anyway, immerhin weiß ich, dass es bis zum Hochtor 33 Kilometer sind, und das es richtig anstrengend wird.

Ich mache ein Foto am Kilometer Null der Glocknerstraße, drücke die Runde am Computer ab, und fahre erst mal locker los. Mal schauen, was die Beine so hergeben, immerhin konnten sie sich ja einen Tag, bzw. anderthalb Tage erholen.

Die Temperatur liegt bei ca. 17° C, es fühlt sich sehr mild und angenehm an. Auch ein Vorteil des frühen Startes. Natürlich ist die Solofahrt kein Vergleich mit der Hatz beim Glocknerkönig, wo man hier nach schnellen Gruppen schaut, und meist schon etwas überzieht… Solo läuft es aber eigentlich ganz gut.

Die Berggipfel liegen noch in den Wolken, die hängen Tief am Hang, was sehr schön aussieht, fast etwas mystisch, kein Wunder, dass die Bewohner der Alpen so einen Hang zum Mystizismus und zur Religion haben…

Ich kann die lange Anfahrt in den schwierigen Teil der Steigung genießen. Die Beine laufen ganz gut, und das Spiel der Wolken am Berg bringt immer neue Facetten.

So lasse ich Fusch hinter mir und erreiche schließlich auch das Kraftwerk Bärenwerk. Kurz dahinter wird es steil.

Ich muss schnell einige Gänge runterschalten um noch etwas Trittfrequenz zu halten. Das klappt zunächst erstaunlich gut und ich trete auch ganz brauchbare Leistungswerte. Ich arbeite ich mich die ersten steilen Abschnitte nach oben, kann aber trotzdem noch ein paar Fotos machen nebenher.

Es gibt einen kurzen etwas flacheren Teil in dem man sich etwas erholen kann, dann zieht die Steigung wieder an. Ich erreiche dann aber auch bald „Höllbach“ in 1096 Metern Höhe, es sind also noch über 1500 Höhenmeter zu überwinden bis zum Hochtor. Meiner Meinung nach müsste es dann aber auch gleich zur Mautstation hin ein paar hundert Meter flach werden. Ich habe ca. 13 Kilometer zurückgelegt.

Da ich so früh gestartet bin, gehe ich davon aus, dass ich heute öfters überholt werde, denn allzu viele Radfahrer werden nicht vor mir gestartet sein. Ich habe den Gedanken kaum zu Ende gedacht, da fährt auch schon ein Rennradler an mir vorbei. Nicht viel schneller, aber schneller. Kurze Zeit später flacht die Strecke dann auch ab. Er ist mittlerweile so 50 Meter vor mir.

Wir erreichen die Mautstation. Tatsächlich gibt es immer noch dieses unsägliche Gatter für Radfahrer die da stehenbleiben müssen! und einen Knopf drücken um das Gatter zu öffnen… Ehrlich? Im Anstieg stehen bleiben? Really? Ich bin genauso angenervt wie schon vor Jahren. Das Ding war ein Grund warum ich lieber andere Anstiege fahre als diesen hier. Das Teil ist mega unnötig und macht die Tour kaputt. But anyway, man muss mit den Dingen die man nicht ändern kann irgendwie umgehen, und das mache ich auch.

Der andere Radfahrer kommt nicht so richtig weg, ich komme aber auch nicht näher. Da ich das dumme Gatter fotografiert hatte, hat er jetzt ca. 100 Meter Vorsprung.

Da die Straße nach der Mautstation brutal nach oben klappt und dann ziemlich konstant bei 12% Steigung bleibt, ist das bewegliche Ziel vor mir ein guter Ansporn. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich noch nahe genug dran bin, dass es ihm umgekehrt genauso geht…

Wir, bzw. ich arbeiten uns bzw. mich, die Steile, zunächst kehrenlose Straße nach oben. Es ist soweit für die Beine ok, an die 12% habe ich mich in den letzten Tagen gut gewöhnt. Allerdings ist es auch sehr anstrengend. Immerhin kann ich beim Wechsel in den Wiegetritt immer hochschalten. Der andere Fahrer ist doch einen Hauch schneller, und so verliere ich ihn in einem kurvenreicheren Abschnitt aus den Augen, sehe ihn dann noch einmal, dann ist er weg. Schade.

Dafür überhole ich tatsächlich einige andere Radler, die sich auch schon so früh hier tummeln. Die Steigung mag erst mal nicht enden, dann erreiche ich aber immerhin die erste Kehre. Die gibt kurze Gelegenheit zum Durchschnaufen. Aber natürlich geht es steil weiter, denn noch sind erst ca. 17 Kilometer geschafft, und ich bin erst auf 1392 Metern Höhe. Ich fühle mich mental und von den Beinen her gut, aber der Weg ist noch weit. Fotos mache ich schon ein paar, aber nicht ganz so viele, dafür ist es zu anstrengend, und das Fotografieren mit dem iPhone zu fummelig.

Die Motorradfahrer sind vereinzelt wohl doch Frühaufsteher, der erste kam schon um halb acht, der nächste eine halbe Stunde später, mittlerweile nimmt der Verkehr insgesamt etwas zu, nachde ich zunächst recht einsam hier gefahren bin, was total schön ist. Die Ausblicke sind teils spektakulär, noch immer hängen einige Wolken sehr tief.

Und dann erreiche ich tatsächlich den frisch asphaltierten Abschnitt vor Piffkar. Ich überhole einen Radfahre auf einem Stahl Colnago mit extrem langsamer Trittfrequenz. Vermutlich fährt der 42-25, bestenfalls 39-25. Noch eine Kurve und Piffkar ist erreicht, die Strecke flacht kurz ab, und ich versuche etwas Tempo aufzunehmen, und überlege ob ich einen Riegel esse, trinke aber stattdessen lieber KH-Getränk.

Die Freude über das Flachstück ist nur von kurzer Dauer, und die Straße klappt wieder nach oben. Ich kämpfe mich weiter die steile Steigung hinauf, fast schon meditativ. Das hatte ich mir gewünscht, dieses Entkoppeln von Beinen und Kopf, ein schöner Zustand, der leider nur selten zu erreichen ist.

Auf einem längeren recht geraden, aber 12% steilen Abschnitt überhole ich zwei Bikepacker mit Gepäcktaschen. Oder sind das übervorsichtige Gravelbiker, die ihr Hochgebirgsnotfallset in den Ortlieb Taschen verstaut haben. Keine Ahnung, aber alle Radfahrer vor mir sind immer ein bisschen Motivation.

Ich habe jetzt gut 20, fast 21 Kilometer zurückgelegt. Noch gehen die Beine gut. Und so erreich ich Hochmais, d.h. ich bin jetzt auf ca. 1850 Metern Höhe. Es folgt ein kleine Abschnitt mit drei Kehren, bzw. Kurven, und dann folgt eine sehr lange sehr unangenehme Gerade, keine Kehren aber steil, 12%, die sich aber anfühlen wie 13 oder 15%. Die Stelle mochte ich noch nie, hier hat man ungefähr 2000 Meter Seehöhe erreicht, hat einen kilometerlangen schweren Anstieg hinter sich, nun einen kilometerlangen schweren Anstieg vor sich, oft etwas Gegenwind. Die Beine fühlen sich an als würden sie in einer klebrigen Masse treten. Das ging mir hier schon öfter so.

Aber irgendwie komme ich, auch mental, gut mit dem Anstieg zurecht. Ich arbeite mich weiter nach oben, kann weitere Radler überholen, alles von Gravel über MTB, Trekkingradf! Und auch einen langsamen Rennradler. Da mir die Strecke eigentlich gut bekannt ist, sehe ich nun immer wieder vertraute Abschnitte und weiß, dass ich die meisten davon eher positiv in Erinnerung habe.

In der Hexenküche auf fast 2100 Metern Höhe sieht es auch genau so aus, denn in diesem Abschnitt hängt eine dicke Wolke, so dass ich nur ein paar Meter weit schauen kann.

Ich überhole eine Rennradlerin, wechsle sogar ein paar Worte mit ihr und habe dann auch schon die Edelweißwand erreicht. Die symbolisiert für mich, dass ich gleich den Schlussanstieg mit den Serpentinen und dem Blick auf’s Fuscher Törl erreiche, das liegt momentan aber noch in den Wolken.

So gerne ich diesen Abschnitt mag, die lange Gerade zieht sich und ich muss kämpfen. Eine Gruppe Rennradler ist vor mir, drei Stück. Eine gute Motivation. Ich komme näher, aber nicht so schnell wie erhofft.

Aber am Ende der langen Geraden an der Edelweißwand, in der ersten Kurve zum Museum Alpine Naturschau, erreiche ich die drei und kann sie überholen. Nun folgen einige Kehren, die Strecke bleibt trotzdem steil.

Nachdem das Fuscher Törl, mein erstes Teilziel, die ganze Zeit noch in den Wolken versteckt war, verschwinden die Wolken pünktlich zu meiner Ankunft hier im Schlussabschnitt. 27 Kilometer bin ich jetzt berghoch gefahren, wie gut, dass ich es endlich sehen kann, so kann ich nochmal etwas Kraft schöpfen.

Jetzt bin allerdings schon ganz schön platt, versuche aber weiter Druck auf den Pedalen zu lassen, nicht nachzugeben. Von der Zeit her hätte ich beim Glocknerkönig die Zielmarke für die erste und auch die zweite Startgruppe schon gerissen, aber für eine Solofahrt geht es eigentlich. Noch ist die 2:10 h als Zwischenzeit am Fuscher Törl machbar. Allerdings verschätze ich mich, denn es sind doch zwei Serpentinen mehr als gedacht und meine Power reicht nicht für einen massiven Schlussspurt. Ist mir aber auch eigentlich egal, Hauptsache unter drei Stunden am Hochtor, das sollte hinhauen.

Nach 2:16 h habe ich das Fuscher Törl dann erreicht, und kann mich in die Zwischenabfahrt hinunter zur Fuscher Lacke werfen. Die Beine entspannen etwas, die Bremsen müssen dafür an den Kehren ordentlich Arbeit verrichten. Ich versuche etwas Schwung mitzunehmen in den nun folgenden Schlussanstieg, und kann gleich einen Mountainbiker einfangen.

Nach einem ersten steilen Stück flacht die Straße etwas ab, hin zum Mittertörl, dem ersten Tunnel, und auch noch etwas danach. Dann zieht die Steigung wieder auf zweistellige Werte an. Ich überhole ein Bikepackerpärchen, sie fährt Schlangenlinien um die Steigung abzumildern. Krass, mit vollem Gepäck hätte ich wirklich keine Lust hier hochzufahren…

Dann wird die Steigung etwas moderater, und wie immer lasse ich mich etwas täuschen, denke noch drei Serpentinen und das war’s, aber vor den drei Serpentinen sind nochmal weitere Kurven und auch eher steile Abschnitte.

Dann kommt der Tunnel Hochtor in Sichtweite. Ich fahre auf einen Rennradler auf, bin mir nicht ganz sicher, aber das ist doch der, der mich an der Mautstelle überholt hat und dann weggezogen ist?! Hm, den schnappe ich mir. Ich überhole und gebe nochmal Gas, denn ich will auf keinen Fall, dass er kontert. So arbeite ich mich die letzten 400 Meter zum Hochtor Tunnel hoch, und gebe auch im Tunnel nochmal Gas, nur nicht wieder überholt werden…

Aber es kommt kein „Angriff“ von hinten, ich erreiche zum ersten Mal für heute das Hochtor. Super! Mit 2:39 h keine Bestzeit, aber vor einer Woche hätte ich noch dagegen gewettet, dass ich die Glocknerstraße überhaupt fahren kann, jetzt bin ich ganz passabel hochgekommen.

Natürlich gibt es erst mal ein Passschildfoto, und dann gönne ich mir einen Kaffee, einen Apfelstreusel und fülle meine Flaschen teilweise auf. Nicht ganz, denn wenn ich weiterfahre, dann eh „nur“ bis zur Franz-Josefs-Höhe.

Es ist ein gutes Gefühl hier hochgekommen zu sein, so dass der Kaffee schmeckt, der Kuchen ist mir eigentlich doch zu viel, habe gar keinen rechten Hunger oder Appetit, inhaliere ihn dann aber doch.

Ich mache keine allzu lange Pause. Noch ist es ja früh, gerade mal kurz nach 10 Uhr. Ich ziehe keine Jacke an, auch wenn hier oben recht kalter Wind weht, aber ich muss ja nach 5, 6 Kilometern Abfahrt wieder steilberghoch fahren, da wird es schon wieder warm werden…

So rolle ich in die Abfahrt, und kann mir schon mal anschauen, wo ich mich nachher hochquälen muss. Diese Seite der Glocknerstraße habe im Anstieg noch nie gemocht. Aber vielleicht fühlt es sich nachher ja gar nicht so schlimm an.

Ich fahre bis zum Kreisel an dem die Straße zur Franz-Josefs-Höhe abzweigt. Da steht Heiligenblut 8 Kilometer, soo weit ist das ja gar nicht. Ich fahre weiter bergab, ändere meinen Plan und fahre dann heute doch beide Seiten des Anstiegs. Damit nutze ich das gute Wetter und die ganz guten Beine.

Unterbrochen nur von einem Fotostop fahre ich die steile Abfahrt hinunter. Dabei genieße ich die schöne Landschaft.

Die Bremse vorne bleibt auch heute ruhig, hinten die macht zwar wieder Geräusche, aber noch im Rahmen des erträglichen. Meiner Meinung nach liegt es entweder am Laufrad oder der Befestigung am Rahmen, dass da irgendwelche Toleranzen nicht eingehalten wurden. Anders kann ich mir das nicht erklären, die Bremse ist vom Profi nochmals optimal eingestellt worden, das Fahrrad ist geputzt und sauber, komisch.

In Heiligenblut angekommen, kaufe ich mir noch etwas Eis Tee um die Flaschen ganz aufzufüllen, denn der folgende Anstieg die Glockner Hochalpenstraße, von der Heiligenblut Seite hinauf, wird wirklich hart. Das weiß ich aus Erfahrung.

Ich döse noch etwas in der Sonne, unterhalte mich eine Weile mit einem englischen Reiseradler, der schon drei Monate unterwegs ist. Der startet dann mit vollem Gepäck schon mal los, ich werde ihn sicher recht bald einholen, genieße jetzt aber erst mal noch ein bisschen Sonne und beiße ihn meinen Riegel, den ich noch im Trikot hatte…

Den Bericht zum zweiten Anstieg findet ihr im nächsten Teil.

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