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Ultracycling und Alpenpaesse

Gedanken zu Trondheim – Oslo

Die große Kraftprobe, was für ein Name für einen Radmarathon! Natürlich ist der entscheidende körperliche Faktor für dieses Rennen die Ausdauer. Aber bei einer epischen Länge von 540 Kilometern auch die mentale Kraft. Und eben diese wird hier wohl auf die Probe gestellt.

Nach dem Ötztaler Radmarathon letztes Jahr habe ich ein 24 Stunden Rennen als neue Herausforderung ausgeschlossen, weil ich keinen rechten Sinn darin gesehen habe ggf. unter Schlafentzug zu fahren. In 24 Stunden fährt man je nach Höhenprofil wohl so zwischen 500 und 700 Kilometern, die Guten natürlich auch 900 oder mehr.

Bei Trondheim – Oslo liegt die Sache aber anders. Hier ist die Strecke vorgegeben. Es ist also kein Rennen, bei dem man zwangsläufig lange und mit Schlafmangel fährt, im Gegenteil, der Streckenrekord liegt bei deutlich unter 14 Stunden, also ungefähr bei den Zeiten, die die langsamsten Finisher des Ötztaler fahren.

Für einen Freizeitfahrer wie mich, liegen 24 Stunden Rennen und Trondheim – Oslo allerdings möglicherweise recht nah beieinander. Auch wenn ich mir andere Ziele gesetzt habe. Das Ziel lautet die Strecke in 20 Stunden zu fahren. Ich glaube, dass ich das prinzipiell drin habe, muss dann aber die „mentale Kraftprobe“ bestehen.

Das Streckenprofil sieht erst mal deutlich einfacher aus, wie z.B. der Ötztaler Radmarathon. Die Steigungen erreichen wohl eher selten den zweistelligen Prozentbereich, wenn überhaupt. Die Angaben vom Veranstalter, dem Organisator meiner Reisegruppe und den Tracks die ich im Web gefunden habe differieren hier etwas.

Aus eigener Erfahrung weiß ich allerdings, dass die norwegischen Straßenbauer im Gegensatz zu z.B. den englischen recht fair sind. Außerdem führt die Route hauptsächlich über die E6, also kann man wohl von Steigungen von meist nicht mehr als 6% ausgehen, mit einzelnen kurzen Abschnitten bis um 9%.

Eigentlich heißt das, dass ich mit 34 – 25 als kleinster Übersetzung gut bedient wäre und nicht meine MTB Bergkassette benutzen muss. Andererseits, bin ich noch nie länger wie 240 Kilometer gefahren, vielleicht bin ich bei Kilometer 400 so platt, dass ich für ein 32er Ritzel zur Bezwingung einer 6% Steigung ganz froh bin?

Außerdem würde mir die Bergkassette die Möglichkeit eröffnen im ersten Teil der Strecke, der hauptsächlich berghoch geht die Belastung besser zu kontrollieren. Letztlich kann man eine Distanz von 540 Kilometern nur in der Fettverbrennung überstehen, und die braucht nun mal eine konstant gute Kohlehydratversorgung zur einwandfreien Funktion.

Wenn man also seine Kohlenhydrate am ersten Berg verschießt, wird der Rest hart und man muss sich an einer Verpflegungsstation erholen. Das möchte ich auf jeden Fall vermeiden. Bei langen Distanzen reißt einen jede Pause aus dem Rhythmus und dem „Flow“. Die ersten Kilometer nach einer Pause sind oft die härtesten.

Außerdem kosten Pausen natürlich Zeit. Nachdem ich im Training ein bisschen mit dem Long Energy Drink von Sponser experimentiert habe, würde ich am liebsten überhaupt nicht anhalten, sondern aus dem Begleitfahrzeug immer frische Flaschen gereicht bekommen…

In der Realität werden es allerdings wohl mindestens drei Pausen vielleicht mehr sein. Da es bei diesem Event eigentlich immer regnet, zumindest auf Teilen der Strecken, ist ein Satz trockener Klamotten für eine Pause nach etwas mehr als der Hälfte sicherlich eine gute Idee.

Da man ordentlich Kalorien verbraucht ist essen während des Rennens ziemlich wichtig. An der Kurbel werde ich so geschätzt 13000 kj leisten müssen. Der grob geschätzte Grundumsatz von 7600 kj kommt noch dazu. Also ca. 20600 kj die ich durch Nahrung teils ersetzen muss, ein Defizit am Ende ist natürlich egal, aber während des Fahrens muss genug Energie da sein. So gut 4900 Kalorien während des Fahrens zuzuführen ist nicht ganz einfach.

Dabei gehe ich davon aus, dass ich große Teile der Strecke im GA1 und kleinere im GA2 Bereich fahre. Aber natürlich kommt es auch auf die Wetterverhältnisse an. Bei konstantem heftigem Gegenwind, was ja durchaus möglich ist, müsste ich für die gleiche Zielzeit logischerweise erheblich mehr Leistung bringen und würde deutlich mehr Energie verbrauchen, was mehr Energiezufuhr nötig machen würde.

Anyway, Trondheim – Oslo ist kein Ultraausdauer Rennen, dafür ist das Streckenprofil nicht „hart“ genug, aber es wird mir eine gute Gelegenheit bieten zu Testen, ob ich überhaupt eine Distanz von über 500 Kilometern am Stück bewältigen kann, wie sich die Kontaktpunkte zum Rad nach einer solchen Distanz anfühlen, und ob mir so etwas prinzipiell Spaß macht. Das könnte die Zielsetzung für die Zukunft natürlich stark beeinflussen.

Ich habe großen Respekt vor der Aufgabe, und hoffe, dass meine Hände, Füße und Sitzfläche die Aufgabe ohne große Blessuren überstehen. Um die 20 Stunden Marke zu knacken, was für einen Freizeitfahrer definitv eine große Herausforderung ist, muss ich mir einige Zwischenziele und -zeiten setzen, was ohne Erfahrung über die Distanz und ohne Streckenkenntnis nicht ganz einfach ist.

Aber dazu ggf. mehr in einem anderen Blogeintrag. Ich freue mich auf jeden Fall auf dieses Event, denn meine Erinnerungen an das Radfahren in Norwegen und bei den speziellen Lichtbedingungen so hoch im Norden sind geprägt von spektakulären, emotionalen Bildern. Ich hoffe sehr, dass mich diese auch im Rennen, wenn es hart wird immer wieder motivieren und mir diesen Extraschub geben, den man braucht um auch mal über sich hinauszuwachsen.

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1 Kommentar

  1. Jürgen 13. Juli 2011

    Lieber Guido ,
    Vielen Dank für deine grossartigen Schilderungen aus dem Berner Oberland.
    Ich war 2010 selber vor Ort und habe die gleichen Pässe gefahren.
    Ich freue mich über jeden einzelnen deiner amüsant geschriebenen Beiträge.
    Toi toi für dein linkes Knie , und herzliche Grüße .
    Jürgen

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